Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 451
Nach § 76 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Diese besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden. Können sich die Betriebspartner nicht auf die Person des Vorsitzenden einigen, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag nach § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG i.V.m. § 100 ArbGG. Ebenso entscheidet das Arbeitsgericht auf Antrag über die Anzahl der Beisitzer, wenn sich die Betriebsparteien diesbezüglich nicht einig werden (§ 76 Abs. 2 S. 3 BetrVG, § 100 ArbGG).
In der Praxis erlangt der Antrag nach § 100 ArbGG zudem regelmäßig in Fallkonstellationen Bedeutung, in denen eine Betriebspartei die Notwendigkeit der Bildung einer Einigungsstelle oder die Zuständigkeit der Einigungsstelle für den im Antrag benannten Regelungsgegenstand bestreitet. Denn das Arbeitsgericht muss als Vorfrage der Einsetzung des Einigungsstellenvorsitzenden oder der Festlegung der Beisitzeranzahl die Zuständigkeit der Einigungsstelle für den im Antrag genannten Regelungsgegenstand prüfen. Bestellt das Gericht einen Vorsitzenden durch Beschluss nach § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG i.V.m. § 100 ArbGG, so bedeutet dies zugleich, dass die Einigungsstelle wirksam eingesetzt ist.
Rz. 452
Die Norm gelangt sowohl im Rahmen der Zwangsschlichtung nach § 76 Abs. 5 BetrVG als auch im freiwilligen Einigungsverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG zu Anwendung. Ihre praktische Bedeutung im freiwilligen Einigungsverfahren ist jedoch gering; denn wenn sich die Betriebsparteien freiwillig auf die Einsetzung einer Einigungsstelle verständigen, regeln sie regelmäßig zugleich die Fragen des Vorsitzes und der Anzahl der Beisitzer.
Rz. 453
Praxishinweis
Bei einer Einigung über die Einsetzung der Einigungsstelle ist darauf zu achten, dass angesichts der unterschiedlichen Kostenfolgen nach § 76a BetrVG geregelt wird, ob die Einigungsstelle aus außerbetrieblichen oder aus betrieblichen Beisitzern bestehen soll. Ebenso sollte die Rolle des Anwalts in der Vereinbarung definiert werden: Dieser kann als anwaltlicher Berater einer Betriebspartei oder als Beisitzer der Einigungsstelle tätig werden. Auch diesbezüglich ergeben sich – neben dem Unterschied, dass dem beratenden Anwalt im Unterschied zum Beisitzer kein Stimmrecht zusteht – Differenzen im Hinblick auf die Vergütung: Während der beratende Anwalt nach allgemeinen anwaltlichen Vergütungsgrundsätzen (insbesondere also nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder einem vereinbarten Stundensatz) vergütet wird, wird der beisitzende Anwalt nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig und unterliegt damit der Vergütungsregel des § 76a BetrVG, d.h. er erhält im Regelfall ein Honorar in Höhe von 7/10 des Honorars des Vorsitzenden.
Rz. 454
Streitigkeiten über der Bildung einer tariflichen Schlichtungsstelle nach § 76 Abs. 8 BetrVG sind vom Anwendungsbereich des § 100 ArbGG nicht erfasst.