Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 366
Möchte der Arbeitgeber die personelle Maßnahme schon durchführen, ehe das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet oder ein laufendes Zustimmungsersetzungsverfahren rechtskräftig entschieden ist, kommt eine vorläufige personelle Maßnahme in Betracht, § 100 BetrVG. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Eine solche vorläufige personelle Maßnahme kann bzw. muss allerdings nur für Versetzungen und Einstellungen, nicht aber für Ein- und Umgruppierungen durchgeführt werden (vgl. Rdn 387 ff., 420 ff.). Die sachliche Dringlichkeit kann auf mannigfachen Gründen beruhen. Von den Gerichten werden solche Gründe schnell akzeptiert. Ob dies auf einem Verständnis für die betrieblichen Notwendigkeiten beruht oder ob diese Sicht der Arbeitsgerichte zu kritisieren ist, sei hier offengelassen.
Bestreitet der Betriebsrat die sachliche Rechtfertigung für die vorläufige personelle Maßnahme nicht oder nicht unverzüglich, so darf der Arbeitgeber diese durchführen. Er ist dann auch nicht gezwungen, binnen drei Kalendertagen ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten; § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ist nicht anwendbar. Zögert der Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren allerdings unangemessen hinaus, so kann der Betriebsrat dem mit einem Antrag nach § 101 BetrVG begegnen.
Bestreitet der Betriebsrat unverzüglich die sachliche Rechtfertigung der personellen Eilmaßnahme, muss sich der Arbeitgeber binnen drei Kalendertagen entscheiden: Entweder er verzichtet auf die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme, dann muss er warten, bis das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren abgeschlossen ist. Oder er führt die personelle Maßnahme vorläufig durch. Dann muss er binnen drei Kalendertagen nach Ablehnung des Betriebsrats (Achtung: Samstag, Sonntag und Feiertage zählen mit, es sei denn, sie liegen am Ende der Frist) beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die vorläufige personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG. Innerhalb der Dreitagesfrist hat der Arbeitgeber auch das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Der Arbeitgeber muss beide Anträge in dem gleichen Verfahren stellen. Hatte der Arbeitgeber bereits vorher ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet, muss der Feststellungsantrag binnen der auch dann maßgeblichen Dreitagesfrist in diesem Verfahren gestellt werden.
Unklarheiten wegen der Dreitagesfrist des § 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG können entstehen, wenn der Arbeitgeber
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zeitgleich den Betriebsrat um Zustimmung zu der personellen Maßnahme nach § 99 BetrVG und die vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG anhört, der Betriebsrat aber vorab nur die Zustimmung zur vorläufigen personellen Maßnahme verweigert; |
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vorab den Betriebsrat zur vorläufigen personellen Maßnahme nach § 100 BetrVG und erst später zur personellen Maßnahme nach § 99 BetrVG anhört. |
In diesen Fällen kann der Arbeitgeber nach drei Tagen zwar den Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme stellen, aber nicht den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats; denn das außergerichtliche Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Diese Konstellationen, die freilich nicht allzu häufig vorkommen, löst die überwiegende Auffassung so: Der Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme muss drei Tage nach Ablehnung des Betriebsrats gemäß § 100 BetrVG gestellt werden. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur personellen Maßnahme muss dann im gleichen Verfahren nachgeschoben werden, und zwar drei Tage nach Zustimmungsverweigerung zu der endgültigen personellen Maßnahme durch den Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 BetrVG.
Innerhalb der Dreitagesfrist des § 100 BetrVG müssen die Anträge nicht nur gestellt, sondern auch begründet werden. Das kann dann Schwierigkeiten bereiten, wenn der Betriebsrat am Freitag der Eilmaßnahme widerspricht und der Arbeitgeber bis Montag reagiert haben muss.