Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 656
Im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsversammlung nach §§ 42 ff. BetrVG ist das Rechtsschutzmittel der einstweiligen Verfügung von hoher praktischer Relevanz. Der Arbeitgeber wird oft nur kurzfristig über geplante Versammlungen informiert. Ein Hauptsacheverfahren dauert daher zu lange. Der Verfügungsantrag kann sich gegen die Durchführung einer bestimmten Betriebsversammlung generell oder ihre Durchführung im Speziellen, insbesondere die geplanten Tagesordnungspunkte, den Teilnehmerkreis, eine Fortsetzung sowie wie im Beispielsfall deren Zeitpunkt richten. Unbeachtlich ist grds., ob gegen eine ordentliche oder außerordentliche Betriebs-, eine Teil- oder eine Abteilungsversammlung vorgegangen werden soll. Während der pandemiebedingten Geltung des § 129 Abs. 1 BetrVG durften unter bestimmten Voraussetzungen Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 BetrVG mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden. Das konnte während der Geltung der Norm zu Auseinandersetzungen auch im Verfügungsverfahren führen, etwa wenn der Arbeitgeber eine vom Betriebsrat geplante Präsenz-Versammlung durch eine (kostengünstige) Online-Versammlung ersetzt wissen will.
Rz. 657
Praxistipp
Da dem Betriebsrat das Hausrecht der Betriebsversammlung zusteht, sind umgekehrte Konstellationen, dass nämlich der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung versucht, eine Betriebsversammlung effektiv durchzusetzen, die Ausnahme. Der Betriebsrat beschließt die Durchführung und setzt den Beschluss um. Ist der Arbeitgeber nicht einverstanden, muss er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das BAG gewährt ihm grds. Anspruch auf eine Feststellungsverfügung, obgleich § 23 BetrVG dem Arbeitgeber keinen Unterlassungsanspruch einräumt. Der Arbeitgeber sollte daher jedenfalls hilfsweise für den Fall, dass keine Unterlassungsverfügung gewährt wird, eine Feststellungsverfügung anhängig machen (s.u. Muster).
aa) Verfügungsanspruch
Rz. 658
Eine einstweilige Verfügung gegen die generelle Durchführung einer Versammlung kommt allenfalls in Betracht, wenn die Versammlung selbst rechtsgrundlos erscheint. Bei den regelmäßigen, vierteljährlich abzuhaltenden Betriebsversammlungen nach § 43 Abs. 1 S. 1 BetrVG wird das nur ausnahmsweise der Fall sein.
Rz. 659
Praktisch relevant ist der einstweilige Rechtsschutz gegen die Abhaltung zusätzlicher Betriebsversammlungen. Der Betriebsrat darf sie einmal pro Kalenderhalbjahr neben den regelmäßigen Betriebsversammlungen abhalten, wenn dies aus besonderen Gründen als zweckmäßig erscheint (§ 43 Abs. 1 S. 4 BetrVG). Besondere Gründe liegen vor, wenn außergewöhnliche Vorkommnisse zu einem Bedürfnis nach zusätzlicher Information und zusätzlichem Meinungsaustausch der Belegschaft führen, die einen Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Betriebsversammlung auch unter der Berücksichtigung weiterer Informationsmöglichkeiten ausschließen. Eine zusätzliche Betriebsversammlung wird daher bspw. anlässlich von Betriebsänderungen geboten sein. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende Konkretisierung der arbeitgeberseitigen Planungen. Bloße Zielvorstellungen reichen nicht aus. Der Betriebsrat hat jedoch einen weiten Ermessensspielraum und unterliegt in seiner Entscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
Rz. 660
Gleiches gilt für außerordentliche Betriebsversammlungen, die der Betriebsrat neben den ordentlichen und zusätzlichen Betriebsversammlungen einberufen kann bzw. auf Antrag des Arbeitgebers oder eines Viertels der wahlberechtigten Arbeitnehmer einberufen muss (§ 43 Abs. 3 S. 1 BetrVG).
Rz. 661
Eine einstweilige Verfügung kann sich weiterhin gegen die Durchführung einer Versammlung im Besonderen r...