Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 358
Hat der Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG unvollständig informiert, so kann er dies während des laufenden Gerichtsverfahrens beheben. Diese Möglichkeit besteht allerdings nicht, wenn entgegen § 93 BetrVG keine Ausschreibung der offenen Position erfolgt ist. Denn aus dem Zweck der Vorschrift folgt: Die Ausschreibung kann grundsätzlich nicht während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt werden. Nur in besonders dringlichen Fällen kann das ausnahmsweise anders sein.
Eine unzureichende Unterrichtung kann auch durch Schriftsatzvortrag vervollständigt werden. Allerdings muss der Arbeitgeber in diesem Fall darauf hinweisen, dass er mit seinem Schriftsatzvortrag die unvollständige Unterrichtung vervollständigen will; dies kann auch konkludent geschehen. Die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG beginnt dann aber noch nicht bei Eingang des Schriftsatzes beim Verfahrensbevollmächtigten, sondern erst bei Eingang beim Betriebsrat. Dieser muss allerdings nur dann die Zustimmung noch einmal gesondert verweigern, wenn der Arbeitgeber von der ursprünglich beabsichtigten Maßnahme Abstand genommen hat und sein – weiteres – Ersuchen auf eine neue personelle Einzelmaßnahme gerichtet ist.
Aus Gründen der Rechtsklarheit erscheint es sinnvoll, eine weitere vollständige Anhörung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG außerhalb des Gerichtsverfahrens durchzuführen und diese dann in dem laufenden Gerichtsverfahren zur Begründung des laufenden Antrags zu nutzen. Die weitere Anhörung kann aber auch für einen neuen, angepassten Antrag genutzt werden. In einem solchen Fall wird, wenn der Arbeitgeber die ursprüngliche Maßnahme ohne Beteiligung des Betriebsrats bereits durchgeführt hat, zusätzlich gefordert, dass der Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers zumindest vorübergehend unterbleibt. Es bedarf dann also einer Zäsur zwischen der mitbestimmungswidrig erfolgten ursprünglichen Einstellung und dem neuen Verfahren nach § 99 BetrVG. Wie lange diese dauern muss, ist unklar.
Ist der Betriebsrat nach der vervollständigten Unterrichtung mit der bisherigen personellen Maßnahme einverstanden, findet die Sache ihr Ende. Das laufende Verfahren wird für erledigt erklärt (siehe dazu unten Rdn 369 f.), die Maßnahme kann endgültig durchgeführt werden. Verweigert der Betriebsrat aber die Zustimmung nach der vervollständigten oder einer neuen Anhörung wieder, so hat der Arbeitgeber folgende prozessuale Möglichkeiten:
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Er kann im laufenden Zustimmungsverfahren seinen Antrag hilfsweise auch auf die neue Anhörung stützen. Das stellt eine zulässige Antragserweiterung dar. Der Arbeitgeber kann aber auch vom ursprünglichen Antrag auf Zustimmungsersetzung Abstand nehmen. Das kann im laufenden Verfahren bewerkstelligt werden, indem der Arbeitgeber den ursprünglichen Antrag für erledigt erklärt und gleichzeitig einen neuen Antrag mit angepasstem Inhalt stellt, den er auf die neue Anhörung stützt. Schließlich sollte es auch möglich sein, den bisherigen Antrag aufrechtzuhalten und hilfsweise den neuen Antrag zu stellen. |
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Er kann das laufende Zustimmungsersetzungsverfahren für erledigt erklären und beenden sowie beim Arbeitsgericht ein neues Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten, welches er auf die neue Anhörung stützt. |
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Er kann das laufende Zustimmungsersetzungsverfahren aufgrund der ersten Anhörung fortführen und ein neues Zustimmungsersetzungsverfahren aufgrund der zweiten Anhörung einleiten. In diesen Fällen sind allerdings beide Verfahren nach § 147 ZPO zu verbinden oder das nachfolgende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des ersten Verfahrens nach § 148 ZPO auszusetzen. |
Die letztgenannte Möglichkeit ist kompliziert, von ihr sollte der Arbeitgeber zugunsten der beiden erstgenannten Möglichkeiten absehen. Auf diese Art erreicht der Arbeitgeber, dass er die personelle Maßnahme trotz anfänglich unzureichender Unterrichtung aufrechterhalten kann, notfalls auch nach mehreren hintereinander geschalteten Anhörungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG.