Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 197
Die Revisionsgründe müssen in der Revisionsbegründung enthalten sein. Ein Verweis auf andere Schriftstücke, etwa außergerichtliche Korrespondenz oder Gutachten, reicht regelmäßig nicht aus. Wurde die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen, genügt die Bezugnahme hierauf (§ 551 Abs. 3 S. 2 ZPO). Hat zunächst beim BAG ein Prozesskostenhilfeverfahren stattgefunden, kann auf die dort eingereichten Schriftsätze verwiesen werden.
Rz. 198
Mit der Revision kann nur geltend gemacht werden, dass das Urteil des LAG auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht (§ 73 ArbGG). Das BAG ist keine dritte Tatsacheninstanz. Es ist bei seiner Prüfung an die tatsächlichen Feststellungen des LAG gebunden. Hält der Revisionsführer die Feststellungen für unvollständig oder unrichtig, muss er Tatbestandsberichtigung beantragen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils gestellt werden, § 320 ZPO. Nach Ablauf von drei Monaten ab Verkündung des Urteils ist die Berichtigung ausgeschlossen.
Rz. 199
Die Revisionsbegründung muss deutlich machen, aus welchem Grund das Urteil falsch ist und welche Rechtsverletzung vorliegt. Erforderlich ist, dass sich der Revisionsführer mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt. Anderenfalls ist die Revision – wie bei fehlender Begründung – unzulässig. Die bloße Nennung der verletzten Rechtsnorm reicht als Revisionsbegründung nicht aus und ist im Übrigen nicht mehr erforderlich. Dennoch sollte sie in der Revisionsbegründung bezeichnet und – an ihr orientiert – die Rechtsverletzung durch das angegriffene Urteil dargestellt werden. Deutlich gemacht werden muss zudem, dass das Urteil des LAG gerade auf der Verletzung der Rechtsnorm beruht, also bei korrekter Normanwendung anders ausgefallen wäre.
Rz. 200
Hat das LAG in seinem Urteil über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss sich der Revisionsführer mit allen angefochtenen Teilen auseinandersetzen und zu jedem Streitgegenstand ausführen. Das ist nur dann entbehrlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von dem anderen korrekt angegriffenen abhängt, sodass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, inwiefern die Entscheidung über den anderen unrichtig ist. Wenn eine Revisionsbegründung zu einem Streitgegenstand fehlt, ist die Revision insoweit unzulässig.
Hat das LAG seine Entscheidung auf zwei oder mehr Gründe gestützt, die voneinander unabhängig sind, aber dieselbe Entscheidung betreffen, so muss die Revisionsbegründung alle tragenden Erwägungen angreifen.
Rz. 201
Als verletzte Rechtsnormen kommen alle Gesetze, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften, soweit sie objektives Recht enthalten, kirchliches Recht, Gewohnheitsrecht und betriebliche Übungen in Betracht. Revisibel sind auch Satzungen und Statute öffentlich-rechtlicher und privater juristischer Personen, nicht dagegen nur behördenintern wirkende Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Dienstanweisungen. Rechtsnormen sind enthalten im normativen Teil von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie in Erlassen und Eingruppierungsrichtlinien. Als nicht revisibel hat das BAG zuletzt das ausländische Recht angesehen. Dagegen unterliegt das Unionsrecht revisionsrechtlicher Kontrolle; das BAG hat als letztinstanzliches Gericht die Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV zu beachten.
Rz. 202
Bestimmungen in Arbeitsverträgen und die Auslegung von Willenserklärungen sind grds. nicht revisibel. Hat aber das LAG alle notwendigen Feststellungen getroffen und kommen keine weiteren in Betracht, unterliegen auch Verträge und Willenserklärungen der Überprüfung durch das BAG. Das gilt auch, wenn eine Vertragsurkunde auszulegen ist und besondere Umstände des Einzelfalls, die auslegungserheblich sein könnten, ausscheiden. Formular- und Musterverträge, die in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend verwandt werden, sind unbeschränkt revisibel. Dazu zählen insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen und Verweisungsklauseln.
Ansonsten kann bei atypischen Verträgen (Individualarbeitsverträge) sowie Willenserklärungen nur geprüft werden, ob materiell-rechtliche Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB), Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt worden sind und ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde.
Rz. 203
Unbestimmte Rechtsbegriffe, wie der wichtige Grund (§ 626 BGB), Treu und Glauben (§ 242 BGB), die Sozialwidrigkeit der Kündigung (§ 1 KSchG) oder das billige Ermessen (§ 315 BGB) sind nur begrenzt revisibel. Eine Rechtsverletzung liegt hier nur vor, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff selbst verkannt worden ist oder bei der Subsumtion des Sachverhalts der Begriffsumfang verlassen, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei einer gebotenen Interessenabwägung nicht der gesamte Sachverhalt berücksichtigt oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist.