Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 575
Welche Vollstreckungsmaßnahmen jeweils einschlägig sind, folgt aus den Vorschriften des 8. Buchs der ZPO. In § 62 Abs. 2 ArbGG wird – mit Ausnahme der in Abs. 1 geregelten Besonderheiten – in vollem Umfange auf die §§ 704 bis 945 ZPO verwiesen. Diese Bestimmungen gelten somit unmittelbar. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen – Titel, Klausel, Zustellung – müssen vorliegen.
Es können sich Besonderheiten ergeben, wenn aus einem Urteil im einstweiligen Rechtsschutz vollstreckt werden soll. Dann ist die einmonatige Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zu beachten. Hierbei ist die Amtszustellung nicht ausreichend, sodass der Gläubiger innerhalb eines Monats ab Verkündung des Urteils den Titel im Parteibetrieb zustellen lassen muss.
1. Verfahrensgrundsätze
Rz. 576
Vollstreckungsgericht für arbeitsgerichtliche Zahlungstitel oder Titel auf Herausgabe von Sachen ist grundsätzlich das örtlich zuständige Amtsgericht, §§ 764, 802 ZPO. Die Erzwingung von titulierten Handlungen und Unterlassungen erfolgt nach den §§ 887 ff. ZPO durch das Prozessgericht, also das Arbeitsgericht. Der Beschluss wird grundsätzlich außerhalb der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden allein nach § 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG gefasst.
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO i.V.m. § 78 ArbGG einschlägig. Das Landesarbeitsgericht kann über die sofortige Beschwerde ebenfalls ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
In jedem Fall ist dem Schuldner vor Verhängung der Zwangsmittel rechtliches Gehör nach § 891 S. 2 ZPO zu gewähren.
2. Geldforderungen
Rz. 577
Titulierte Geldforderungen sind nach den §§ 803 bis 882a ZPO zu vollstrecken. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer den vollen Bruttobetrag vollstrecken. Es ist zulässig, auf Zahlung eines Bruttobetrags abzüglich eines bestimmten bezifferten Nettobetrags zu klagen. Dann kann nur noch der offene Restbetrag beigetrieben werden. Unzulässig sind Anträge, wonach ein unbestimmter Nettobetrag in Abzug gebracht werden soll, etwa "abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes" oder "abzüglich gezahlten Krankengeldes". Der Arbeitgeber kann seinerseits die ihm obliegende Pflicht zur Abführung der Gehaltsabzüge an die dafür zuständigen Stellen erfüllen. In diesem Fall hat er die einzelnen Abzüge zu berechnen und an die zuständigen Stellen abzuführen. Gegenüber dem Gerichtsvollzieher muss er sodann die Abführung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 775 Nr. 4 ZPO nachweisen.
3. Herausgabe von Sachen
Rz. 578
Die Vollstreckung der Herausgabe von Sachen richtet sich nach den §§ 883 bis 898 ZPO. Die Herausgabe von Arbeitspapieren ist nach § 883 ZPO zu vollstrecken. Wenn der Schuldner zur Berichtigung oder zum Ausfüllen der Arbeitspapiere verurteilt wurde, richtet sich die Vollstreckung dieser unvertretbaren Handlung nach § 888 Abs. 1 ZPO.
4. Erwirkung von Handlungen
Rz. 579
Die Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen richtet sich nach den §§ 887, 888 ZPO, wobei zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Handlungen zu unterscheiden ist. Vertretbare Handlungen sind nach § 887 ZPO zu vollstrecken. Dies betrifft Handlungen, bei deren Vornahme ein Dritter den Schuldner vertreten und die gleichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen herbeiführen kann, die eintreten würden, wenn der Schuldner die Handlung persönlich vornehmen würde. Unvertretbare Handlungen, die nach § 888 ZPO vollstreckt werden, sind solche, die nur vom Schuldner persönlich vorgenommen werden können und ausschließlich von seinem Willen abhängen. Statt der Vollstreckung gemäß den §§ 887, 888 ZPO kann die klagende Partei allerdings auch nach § 61 Abs. 2 ArbGG einen Entschädigungsantrag stellen und beantragen, dass der Beklagte für den Fall, dass die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen wird, zur Zahlung einer nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung verurteilt wird. Wird der besondere Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG gestellt, ist eine Vollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO nicht möglich.
Rz. 580
Häufige Fälle der §§ 887, 888 ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind u.a.:
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Entfernung einer Abmahnung aus den Personalakten |
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Ausfüllen oder Berichtigung von Arbeitspapieren |
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Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG |
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Gewährung der Einsicht in Gehaltsl... |