Rz. 232
§ 23 BRAGO – Vergleichsgebühr (gültig bis 30.6.2004)
(1) |
1Für die Mitwirkung beim Abschluß eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). 2Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, daß seine Mitwirkung für den Abschluß des Vergleichs nicht ursächlich war. 3Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist. |
(2) |
Für die Mitwirkung bei einem unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossenen Vergleich erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr, wenn die Bedingung eingetreten ist oder der Vergleich nicht mehr widerrufen werden kann. |
(3) |
Soweit über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann, gelten die Absätze 1 und 2 auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts. |
Rz. 233
Bei der Frage, ob eine (nur die Gebühren nach § 118 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BRAGO begründende) Abrechnung oder aber ein die zusätzliche Gebühr nach § 23 BRAGO auslösender Vergleich gegeben ist, beschäftigen sich die Gerichte mit folgender in der Praxis häufig auftretenden Situation:
Rz. 234
Beispiel 3.1
Der Ersatzpflichtige (bzw. sein Haftpflichtversicherer) will einen vom Ersatzberechtigten anhängig gemachten Prozess nicht führen und zahlt den vollen eingeklagten Betrag. Die klagende Partei nimmt nach Ausgleich der Klageforderung durch den beklagten Ersatzpflichtigen auf dessen Bitten hin die Klage zurück gegen die Zusage, dass ein Kostenantrag nicht gestellt werde. Die die klagende Partei vertretenden Anwälte begehren hernach die Vergleichsgebühr vom Beklagten.
Rz. 235
Im Beispiel 3.1 (Rdn 234) liegt kein Vergleich vor, sondern nur ein unilaterales Nachgeben einer einzigen Seite, nämlich der beklagten Partei. Es fehlt an einer Wechselwirkung, wie sie für einen Vergleich typisch ist. Nach herrschender Rechtsprechung liegt in diesen Fällen folgerichtig kein Vergleich vor, weil es an einem Nachgeben der beklagten Partei fehlt. Voraussetzung für einen Vergleich und damit zugleich auch für das Entstehen der Vergleichsgebühr ist, dass der Schuldner konkrete Zugeständnisse macht, die über die bloße Erklärung, zahlen zu wollen, hinausgehen.
Rz. 236
Die gegenteilige Ansicht übersieht insbesondere, dass ein "Verzicht auf die Titulierung des geltend gemachten Anspruchs" kein Nachgeben darstellt, da die Zahlung auch ohne diesen Titel in gleichem Umfange und auch mit derselben finanziellen Sicherheit erfolgt.
Rz. 237
In Ausnahmefällen kann allerdings die (auch nur teilweise) Klagerücknahme einen Vergleich darstellen, wenn für beide Seiten ein spürbares Nachgeben feststellbar ist.