Leitsatz (amtlich)

Der im Rahmen der Prozesskostenhilfe tätige Rechtsanwalt hat einen Anspruch auf eine Vergleichsgebühr, wenn er der Partei „zur Wahrung der Rechte” für den ersten Rechtszug beigeordnet ist und der Rechtsstreit durch einen unter seiner Mitwirkung zustande gekommenen außergerichtlichen Vergleich und eine sich daran anschließende Klagerücknahme erledigt wird.

 

Normenkette

BRAGO §§ 23, 121-122

 

Verfahrensgang

AG Neustadt a.d. Aisch (Aktenzeichen 1 F 640/01)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes P.S. wird der Beschluss des AG - FamG - Neustadt/Aisch vom 21.10.2002 i.V.m. dem Beschluss des Rechtspflegers am AG Neustadt/Aisch vom 19.8.2002 abgeändert.

II. Die dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Rechtsanwalt P.S. aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 806,20 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit einem am 25.5.2001 beim AG Ansbach eingegangenen Schriftsatz vom 17.5.2001 haben die Kläger gegen den Beklagten eine letztlich auf Zahlung von Kindesunterhalt gerichtete Stufenklage eingereicht.

Auf ihren Antrag hin hat ihnen das AG - FamG - Ansbach mit Beschluss vom 31.8.2001

– Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt und

– ihnen „zur Wahrnehmung der Rechte” Rechtsanwalt P.S. aus U. beigeordnet.

Mit Beschluss vom 21.11.2001 hat sich das AG Ansbach für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige AG Neustadt/Aisch verwiesen. Dort wurde am 2.5.2002 verhandelt.

Mit Schriftsatz vom 11.6.2002 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger eine außergerichtliche Vergleichsvereinbarung der Parteien vom 7. bzw. 11.6.2002 über den vom Beklagten an die Kläger zu zahlenden Kindesunterhalt vor und erklärte – in Übereinstimmung mit einer entspr. Klausel in dem Vergleich – die Rücknahme seiner Klage.

Mit Schriftsatz vom 22.7.2002 hat Rechtsanwalt S. beantragt, die ihm im Rahmen der Prozesskostenhilfe zustehenden Gebühren auf insgesamt 806,20 Euro festzusetzen, und hat dabei u.a. eine 10/10-Vergleichsgebühr geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 19.8.2002 hat die Rechtspflegerin am AG Neustadt/Aisch die dem Prozessbevollmächtigten der Kläger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 551,58 Euro festgesetzt und dabei die Erstattung einer Vergleichsgebühr abgelehnt.

Mit am 30.8.2002 eingegangenen Schriftsatz vom 28.8.2002 hat Rechtsanwalt S. gegen diesen Festsetzungsbeschluss Erinnerung insoweit eingelegt, als die beantragte Vergleichsgebühr nicht mit festgesetzt wurde.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim LG Nürnberg-Fürth hat das AG - FamG - Neustadt/Aisch mit Beschluss vom 21.10.2002 die Erinnerung des Klägervertreters gegen die Vergütungsfestsetzung im Beschluss vom 19.8.2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 23.10.2002 zugestellten Beschluss hat Rechtsanwalt S. mit Schriftsatz vom 24.10.2002 Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag auf Erstattung der Vergleichsgebühr weiter verfolgt.

Das AG hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde des Rechtsanwalts S. hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die allgemeine Frage, ob der im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Rechtsanwalt auch dann einen Anspruch auf Zahlung einer Vergleichsgebühr gegen die Staatskasse erlangt, wenn er an einem außergerichtlichen Vergleich mitgewirkt hat, ist in Rechtsprechung und Lit. umstritten (für eine Erstattungsfähigkeit etwa BGH v. 21.10.1987 – IVa ZR 170/86, MDR 1988, 210 = NJW 1988, 494; OLG Hamburg v. 2.11.1990 – 2 WF 77/90, FamRZ 1991, 469; OLG Düsseldorf v. 26.3.1992 – 10 WF 79/91, MDR 1993, 186 = OLGReport Düsseldorf 1992, 230 = FamRZ 1992, 1096; OLG Oldenburg JurBüro 1994, 545; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119 Rz. 25; Gerold/Schmidt/von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Aufl., § 122 Rz. 81; gegen eine Erstattungsfähigkeit etwa OLG Nürnberg v. 16.2.1990, JurBüro 1990, 1170; OLG Brandenburg RPfleger 2001, 139).

Der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall eine Vergleichsgebühr zu erstatten ist.

Gemäß § 121 BRAGO erhält der beigeordnete Rechtsanwalt die „gesetzliche Vergütung im Verfahren vor … den Gerichten eines Landes”, soweit im 13. Abschn. der BRAGO nichts anderes bestimmt ist. Zu den gesetzlichen Gebühren gehört grundsätzlich auch die Vergleichsgebühr, „für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleiches (§ 779 BGB)”, § 23 BRAGO.

Diese Vorschrift erfasst, wie sich bereits aus der Verweisung auf § 779 BGB ergibt, auch den außergerichtlichen Vergleich. Aus § 121 i.V.m. § 23 BRAGO lässt sich daher kein Zweifel daran entnehmen, dass auch der beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich einen Anspruch auf die Erstattung einer Vergleichsgebühr für seine Mitwirkung beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches hat (so insb. auch BGH v. 21.10.1987 – IVa ZR 170/86, MDR 1988, 210 = NJW 1988, 494, der grundsätzlich die Erstattungsfähigkeit einer Vergleichsgebühr ausdrücklich auch für den hier vorliegenden Fall der Erledigung des Rechtsstreit...

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