Rz. 55

Eine Schadenposition, die zum Gegenstand einer bezifferten Leistungsklage gemacht worden ist, kann grundsätzlich nicht in identischem Umfang Gegenstand eines (hilfsweisen) Feststellungsantrages sein.[54]

 

Rz. 56

Das Feststellungsinteresse entfällt daher, wenn eine Leistungsklage möglich und zumutbar ist, denn diese erlaubt in einem einzigen Prozess die endgültige Klärung des Streitstoffes.[55] Für die Feststellung bereits entstandener Unfallfolgen fehlt i.d.R. das Feststellungsinteresse, diese Folgen sind im Wege der Leistungsklage zu verfolgen.[56] Die Feststellungsklage ist außerdem nicht zulässig, wenn die Schadenentstehung zwar abgeschlossen ist, die Bemessung jedoch schwierige Prognosen verlangt.[57]

 

Rz. 57

Die Feststellungsklage kann im Einzelfall trotz der möglichen Erhebung einer Leistungsklage zulässig sein.[58] Ist bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, weiterer Schaden aber noch in der Entstehung befindlich, ist der Verletzte nicht gezwungen, seine Klage stets in eine Leistungsklage (Zahlung bis zur Klageerhebung) und eine Feststellungsklage (für zukünftige Schäden) zu splitten.[59] Der Anspruchsteller muss dann im Laufe des Prozesses keine Umstellung von einer Feststellungs- in eine Leistungsklage vornehmen. Eine Feststellungsklage ist also trotz einer möglichen Leistungsklage zulässig, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit sinnvoll und sachgerecht ist. Ist eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen, kann der Kläger daher in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren.[60] Der Feststellungsantrag umfasst den gesamten Schaden; auch den, der schon mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden könnte. Bei einer Situation, in der die Schadensentwicklung gerade nicht abgeschlossen ist und Zukunftsschäden drohen, ist eine umfassende Feststellungsklage auch für Schäden, die bereits bei Klageerhebung entstanden sind, zulässig.

 

Rz. 58

Der BGH[61] führt aus:

Zitat

"Ein Kläger ist nicht grundsätzlich gehalten ist, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist."

Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann.[62]

Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Schadenspositionen bei Klageerhebung bereits bezifferbar und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte bereits abgeschlossen gewesen sein mögen. Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden, auch solche Positionen, die – aus welchem Grund auch immer – nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert wurden.[63] Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen daher lediglich einen Schadensteil im obigen Sinne dar.“

 

Rz. 59

Eine unbegründete Leistungsklage kann im Einzelfall einen Feststellungsantrag enthalten, dem ein Gericht – auch ohne entsprechenden Hilfsantrag – stattgeben kann.[64]

 

Rz. 60

Erhebt der Kläger, der in einem Rechtsstreit eine positive Feststellungsklage erhoben hat, nachfolgend in einem weiteren Rechtsstreit eine Leistungsklage, mit der ein aus dem selben streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteter Anspruch geltend gemacht wird, steht dieser Klage die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen; und zwar unabhängig davon, ob mit der Leistungsklage auch alle von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht werden.[65]

[54] BGH v. 17.2.1998 – VI ZR 342/96 – DAR 1998, 349 = SP 1998, 207 = VersR 1998, 770; AG Vechta v. 12.8.2003 – 11 C 1402/02 – NJW 2004, 80 = SP 2004, 12 = zfs 2004, 69.
[55] OLG Düsseldorf v. 20.11.1975 – 12 U 224/94 – DAR 1976, 190; OLG Hamm v. 16.2.2000 – 13 U 191/99 – SP 2000, 375 = VersR 2000, 992; OLG Köln v. 9.5.1985 – 5 U 215/84 – r+s 1986, 24; Zöller-Greger, 32. Aufl. 2018, § 256 ZPO Rn 7a m.w.N.
[56] AG Vechta v. 12.8.2003 – 11 C 1402/02 – NJW 2004, 80 = SP 2004, 12 = zfs 2004, 69.
[57] BGH v. 3.4.1996 – VIII ZR 3/95 – NJW 1996, 2097 = VersR 1996, 848 (Stufenklage); OLG Hamm v. 16.2.2000 – 13 U 191/99 – SP 2000, 375 = VersR 2000, 992.
[58] Siehe BGH v. 6.3.2012 – VI ZR 167/11 – NJW-Spezial 2012, 266 = openJur 2012, 53613 = r+s 2012, 461 (Zulässigkeit der Feststellungsklage, wenn bei Klageerhebung erst ein Teil des Schadens entstanden und die E...

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