Rz. 442
Nach Art. 3b des Rom-Abkommens (Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, abgekürzt RA) ist Tonträger "jede ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne".
Rz. 443
Einerseits ist es nicht notwendig, nur ein urheberrechtlich geschütztes Werk aufzunehmen (es genügt also die Aufnahme von Geräuschen), andererseits genügt aber auch nicht die Neuaufnahme veralteter, technisch unvollkommener Aufnahmen auf Compact Disc (CD) oder anderer Datenträger (§ 85 Abs. 1 S. 3 UrhG).
Rz. 444
Nach § 85 Abs. 1 S. 2 UrhG wird als Hersteller nicht der angestellte Toningenieur, sondern der Inhaber des Unternehmens angesehen. Gem. Art. 3c RA ist "Hersteller von Tonträgern" jede "natürliche oder juristische Person, die erstmals die Töne einer Darbietung festlegt", also nicht mehr die spätere Vervielfältigung des Tonträgers.
Rz. 445
Dem Tonträgerhersteller steht das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung zu (§ 85 Abs. 1 UrhG). Durch die Neufassung des Urheberrechtsgesetzes nach der Harmonisierungsrichtlinie 2001/29/EG vom 22.5.2001 (Erster Korb) wurde noch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung mit aufgenommen, womit zugleich Art. 14 WPPT umgesetzt wird, der dem Hersteller das Online-Übermittlungsrecht zuspricht. Damit erhalten die Tonträgerhersteller die Befugnis, die Verwertung ihrer Tonträger im Rahmen von Abrufdiensten (On-demand-Angebote) als einer besonders intensiven Art der wirtschaftlichen Nutzung zu kontrollieren. Dagegen kann er sich nicht Entstellungen und Kürzungen seiner Tonträger widersetzen (im Gegensatz zum ausübenden Künstler, § 75 UrhG, und Filmhersteller, § 94 Abs. 1 S. 2 UrhG). Die Neufassung des § 85 Abs. 2 UrhG stellt ausdrücklich klar, dass auch der Tonträgerhersteller ein Nutzungsrecht an dem Tonträger einräumen kann, in dem dort auf § 31 Abs. 1 bis 3 und 5 und §§ 33 und 38 UrhG verwiesen wird. § 85 Abs. 3 UrhG gewährt nunmehr (seit 2013) eine 70-jährige Schutzfrist (nach Erscheinen des Tonträgers oder wenn dieser innerhalb von 50 Jahren nach der Herstellung nicht erschienen ist) (siehe dazu § 2 Rdn 285). § 85 Abs. 4 UrhG verweist auf § 10 Abs. 1 UrhG (Vermutung der Urheberschaft) sowie auf die Regelung über das Verleihen und die daraus resultierenden Vergütungsansprüche (§ 27 Abs. 2, 3 UrhG) sowie auf die Schrankenbestimmungen der §§ 44a bis 63a UrhG.
Rz. 446
Hinweis
In den letzten Jahren gab es Probleme mit dem Sound-Sampling, also der teilweisen Übernahme von Tonträgern zu einem neuen Klanggebilde. Ein Teil der Literatur sieht auch diesen Vorgang von § 85 Abs. 1 UrhG als eine Form der Piraterie erfasst. Insbesondere fehle es an dem Zitatzweck (Belegfunktion) gem. §§ 85 Abs. 3, 51 Nr. 3 UrhG. Rehbinder/Peukert halten solche Tonfetzen schon für sich betrachtet für nicht schutzfähig. Eine andere Frage war, ob das Sampling der freien Benutzung gem. § 24UrhG a.F. nunmehr § 23 UrhG zugeordnet werden kann. Durch die Urheberrechtsreform 2021 wird in § 85 Abs. 4 UrhG nunmehr ausdrücklich auf § 23 UrhG Bezug genommen.
Schon zuvor hatte der BGH diese Frage für die Übernahme von Tonfetzen der Komposition "Metall auf Metall" der Band "Kraftwerk" entschieden. Die Sängerin Sabrina Setlur hat für eine Produktion das Hämmern des zuvor genannten Titels digital übernommen und damit nach Ansicht des BGH das Tonträgerherstellungsrecht an "Metall auf Metall" verletzt. Eine freie Benutzung gem. § 24 UrhG a.F. (numehr § 23 UrhG), der grds. (analog) auch auf das Leistungsschutzrecht des § 85 UrhG angewendet werden könne, sei in diesem Fall abzulehnen, weil die Herstellung dieses übernommenen Geräusches möglich und zumutbar gewesen wäre (wegen Einzelheiten wird auf § 2 Rdn 82 verwiesen).
Rz. 447
Es gibt weder ein Verbotsrecht noch einen Vergütungsanspruch gegen die Benutzung von Tonträgern zur öffentlichen Wiedergabe. Allerdings folgt aus § 86 UrhG, dass im Falle der Aufnahme durch einen ausübenden Künstler und dem Erscheinen oder der erlaubterweise öffentlichen Zugänglichmachung dieses Tonträgers ein Anspruch auf Beteiligung an dessen Vergütung aus der Funksendung oder öffentlichen Wiedergabe (z.B. in Gaststätten) besteht (§ 78 Abs. 2 UrhG). Da ausübende Künstler und Tonträgerhersteller in einer Verwertungsgesellschaft (GVL) zusammengeschlossen sind, die diese Vergütungsansprüche wahrnimmt, erfolgt die Beteiligung im Innenverhältnis zwischen Künstlern und Tonträgerherstellern. Dabei nimmt das Inkasso die GEMA wahr.
Rz. 448
Aus Sicht der Tonträgerhersteller sind in der Regel Vereinbarungen mit ausübenden Künstlern (Künstlervertrag), mit Künstler und Produzenten (Producervertrag) und wirtschaftlichen Produzenten (Bandübernahmeverträge) abzuschließen.