Rz. 172
Neben dem Anspruch auf angemessene Vergütung steht noch die Regelung über die weitere Beteiligung des Urhebers (§ 32a UrhG), die zunächst den bis zum 30.6.2002 geltenden "Bestsellerparagrafen" (§ 36 UrhG a.F.) ersetzt. Im Unterschied zur entsprechenden früheren Regelung wurde kein grobes Missverhältnis, sondern lediglich zunächst ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verlangt.
Rz. 173
Mit der Urheberrechtsreform 2021 ist nunmehr in Umsetzung des Art. 20 DSM-RL die unverhältnismäßig niedrige Vergütung maßgeblich. Schon mit der Reform von 2002 waren die Anforderungen an die Diskrepanz beider Pole nicht mehr so hoch wie nach der alten Regelung. Nach der Vorgängerreglung in 2002 war es fraglich, ob der Maßstab für das Missverhältnis die in § 32 Abs. 1 UrhG angesprochene angemessen Vergütung ist. Dafür sprach jedenfalls der Gesetzeskontext. Die Rechtsprechung bejahte ein grobes und damit erst recht ein auffälliges Missverhältnis bei einer Abweichung von 20 % zur angemessenen Vergütung. Nach der damaligen Gesetzesbegründung war dieses Missverhältnis dann gegeben, wenn die Abweichung 100 % zur angemessenen Vergütung betrug.
Die seit 2021 geltende Formulierung senkt die Schwelle gegenüber dem bis dahin geltenden Recht noch einmal. Nach der Gesetzesbegründung besteht ein quantitativer Unterschied zwischen der "unverhältnismäßig niedrigen Vergütung" und dem "auffälligen Missverhältnis" von Vergütung und Verwertungserfolg.
Rz. 174
Die vereinbarte Gegenleistung wird unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes gegenübergestellt.
Rechtsfolge ist, dass auf Verlangen des Urhebers der Lizenznehmer/Nutzer ("der Andere") verpflichtet ist, in eine Änderung des Vertrags einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können (§ 32a Abs. 1 S. 2 UrhG).
Rz. 175
Der Anspruch kann auch gegen Dritte gerichtet werden, also nicht nur an die unmittelbaren Vertragspartner, sondern auch gegenüber Unterlizenznehmern, wenn der Vertragspartner das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt hat. Die unverhältnismäßige niedrige Vergütung muss sich dann aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten ergeben, wobei dann die Haftung des Vertragspartners selbst entfällt (§ 32 Abs. 2 UrhG).
Rz. 176
Für Missverhältnisse zwischen Lizenzzahlungen und Verwertungserfolgen, die erst in der weiteren Lizenzkette auftreten, haften den Urhebern nur diese Dritten in der Lizenzkette, und zwar als Teilschuldner, also jeweils begrenzt auf das Missverhältnis, das ihren eigenen Verwertungserfolg betrifft.
Rz. 177
Hinweis
Nach der Urheberrechtsreform 2021 ist zu beachten, dass immer dann, wenn ein Bestseller-Fall in Betracht kommt, auch hinsichtlich nachrangiger Beiträge, über die bisher keine Auskunft erteilt werden musste, nunmehr eine Auskunftspflicht besteht (Art. 19 Abs. 1 und 2 DSM-RL).
Rz. 178
Auf die oben beschriebenen Vergütungsansprüche kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die Anwartschaft hierauf unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung. Auch eine Verfügung über die Anwartschaft ist unwirksam. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen (§ 32a Abs. 3 UrhG).
Rz. 179
Vergütungsregelungen gem. § 36 UrhG oder Tarifverträge (wenn diese ausdrücklich eine weitere angemessene Beteiligung vorsehen) sind zulässig und gehen individuellen Ansprüchen vor (§ 32a Abs. 4 UrhG).