Rz. 1

Wie wir im vorangegangenen § 2 gesehen haben, geht mit dem Erbgang das Eigentum an den Geräten und Speichermedien des Erblassers auf die Erben über. Mit dem Eigentum verknüpft ist auch das Recht, auf den Datenträger und die dortigen Dateien zuzugreifen und andere von Einwirkungen auf den Datenträger und die dort gespeicherten Daten auszuschließen (Zeichenebene, vgl. § 1 Rdn 27). Das Recht zum Zugriff auf die Daten kann zudem auch aus einem auf die Erben übergegangenen Recht zum Besitz an dem jeweiligen Speichermedium folgen oder – im Falle der Nutzung eines online zur Verfügung gestellten Speicherplatzes – aus dem Vertrag mit dem Anbieter, in den die Erben eintreten (siehe § 4 Rdn 4 ff.).

 

Rz. 2

Das Recht an den auf dem Datenträger durch die Daten verkörperten Inhalten folgt anderen Regeln (Bedeutungsebene, vgl. § 1 Rdn 27). Insoweit ist zu prüfen, wem das Recht an den Inhalten zustand und zusteht. Stand es allein dem Erblasser zu, so geht es ebenfalls mit dem Erbgang auf die Erben über (vgl. § 2 Rdn 8 ff.). Haben dagegen Dritte Rechte an den Inhalten, so erlöschen diese Rechte mit dem Erbgang naturgemäß nicht. Dritten stellt sich nach dem Tod des Erblassers mithin die Frage, wem gegenüber sie ihre Rechte geltend machen können. Soweit das Recht, auf den jeweiligen Datenträger und die dortigen Dateien zuzugreifen, auf die Erben übergegangen ist, können (und müssen) Dritte ihre Rechte an den Inhalten gegenüber den Erben als den Rechtsnachfolgern des Erblassers geltend machen.[1] Die Erben können wiederum ein ggf. vom Erblasser im Erbgang auf sie übergegangenes Recht zur Nutzung dieser Inhalte haben.

 

Rz. 3

Zur Darstellung der skizzierten Problematiken knüpfen wir zunächst wieder an unseren Ausgangsfall (vgl. § 1 Rdn 53) an und bilden das folgende Beispiel:

 

Beispiel

Nach dem Tod des A geht ein an ihn gerichtetes Abmahnschreiben der Rechtsanwälte des Entwicklers der von A genutzten Zeichensoftware ein. A hat eine im Internet "gefundene" Version der Software mit einem gestohlenen Lizenzschlüssel benutzt. Der Entwickler fordert von A Löschung der Software, die Abgabe einer Unterlassungserklärung und Zahlung von Schadensersatz (Lizenzanalogie, Rechtsanwaltskosten etc.).

Das Architektenbüro hat zudem bei L nach den Zeichnungen und Unterlagen zu den von A betreuten Projekten nachgefragt. L ist wegen der Beerdigungsvorbereitung und der anderen durch den Erbfall angefallenen Verpflichtungen noch nicht dazu gekommen, sich darum zu kümmern. Jetzt hat sie einen Brief des Geschäftsführers erhalten, der nachdrücklich die Herausgabe der Zeichnungen und Unterlagen fordert. Der Geschäftsführer weist zudem darauf hin, man habe auf den Computersystemen des Architekturbüros auch noch private Aufzeichnungen des A gefunden. Er fragt nach, wie damit umgegangen werden soll.

Eingegangen sind zudem noch mehrere geschäftliche und private an A adressierte Briefe. L hat diese geöffnet und gelesen.

Gefunden hat L zudem Briefe, die A im Laufe seines Lebens erhalten hat. Darunter findet sie auch Briefe der verheirateten G, mit der A anscheinend über die vergangenen Jahre eine Affäre geführt hat, wann immer er sich beruflich am Wohnort der G aufhielt.

In dem Ordner "Fotos" auf der Festplatte des PC des A findet L verschiedene Aufnahmen, die andere Personen zeigen. Sie wurden bspw. anlässlich von Familienfesten, anderen Geselligkeiten und Reisen aufgenommen. In dem Unterordner "Diverses" hat A zudem Fotos gespeichert, die ihn und/oder G zeigen. Darunter sind auch äußerst intime Aufnahmen, die G teilweise oder ganz entkleidet zeigen, vor, während und nach dem Geschlechtsakt.

 

Rz. 4

Sofern nicht nur der Lebensbereich des Erblassers und seiner Erben betroffen ist, sondern auch die kommerziellen, geschäftlichen oder privaten Interessen Dritter, muss geprüft werden, ob daraus Ansprüche dieser Personen gegen den Erblasser folgen und ob diese von den Erben zu erfüllen sind.

[1] Hier zeigt sich die Notwendigkeit einer Rechtsnachfolge der Erben in die Befugnis zum Zugriff auf Daten auch aus Sicht der Dritten, da Dritte ansonsten keinen Schuldner für ihre etwaigen Ansprüche hätten.

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