A. Die Nutzung des Sondereigentums
I. Grundsätzliches
Rz. 1
Es ist das von Art. 14 GG geschützte Grundrecht jedes Eigentümers, mit seinem Eigentum im Rahmen der Gesetze nach Belieben zu verfahren. Das gilt auch für das Sondereigentum, wie § 13 Abs. 1 WEG (inhaltsgleich mit der allgemein eigentumsbezogenen Bestimmung des § 903 S. 1 BGB) ausdrücklich hervorhebt: "Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen." Dieses Recht besteht aber selbstverständlich nicht schrankenlos. Der Gebrauch des Sondereigentums darf nur unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse erfolgen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Aus dem Zusammenspiel von § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 WEG folgt die "goldene Regel": Die Nutzung darf nur in solcher Weise erfolgen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst, der über das bei einem ordnungsgemäßen Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Bspw. sind normale Wohngeräusche im Rechtssinne unvermeidlich und deshalb hinzunehmen.
II. Die Zweckbestimmung des Sondereigentums
1. Grundlagen
Rz. 2
Weil die Nutzung des Sondereigentums gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG unter Beachtung der für die Gemeinschaft geltenden Vereinbarungen erfolgen muss, ist insbesondere der Rahmen der Zweckbestimmung zu wahren. Ihre Zweckbestimmung wird den zum Sondereigentum gehörenden Räumen und Flächen in der Teilungserklärung bzw. in der Gemeinschaftsordnung zugewiesen.
Beispiele: Zweckbestimmung
a) Die Teilungserklärung begründet das Sondereigentum Nr. 5 an einer Wohnung (oder: an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen; oder: an einem Teileigentum; oder: an einem Laden usw.).
b) Die Gemeinschaftsordnung bestimmt: "In sämtlichen Wohnungen ist auch eine freiberufliche Tätigkeit zulässig."
c) Ein bestehendes Gebäude wird in Teileigentum aufgeteilt. Die Einheit Nr. 1 hat einen Miteigentumsanteil von 869/1.000, "verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen im Kellergeschoss, im Erdgeschoss und im Obergeschoss gelegenen Räumen des Altenpflegeheims, sowie dem Speicherraum im Dachgeschoss". Die Bezeichnung als Altenpflegeheim beinhaltet nach neuerer Rechtsprechung des BGH keine (eindeutige) Zweckbestimmung, sondern eine bloße, rechtlich unbedeutende "Funktionsbeschreibung" der zum Zeitpunkt der Aufteilung ausgeübten Nutzung. Wenn aber unklar ist, ob die Teilungserklärung eine Zweckbestimmung enthält, gibt sie "im Zweifel" gar keine Einschränkung vor. In dieser Variante haben wir es also schlicht mit einem Teileigentum (ohne besondere Zweckbestimmung) zu tun. Das kann eine böse Überraschung für die Gemeinschaft darstellen, weil ohne Zweckbestimmung prinzipiell jede – also auch eine störende – Nutzung zulässig ist (→ § 3 Rdn 10).
Rz. 3
Die Zweckbestimmung hat immer die Rechtsnatur einer den zulässigen Gebrauch des Sondereigentums regelnden Vereinbarung i.S.d. §§ 10 Abs. 3 S. 1, 19 Abs. 1 WEG, mithin keinen "sachenrechtlichen" Gehalt; das gilt auch dann, wenn sie im Zuge der sachenrechtlichen Begründung des Wohnungs- bzw. Teileigentums (so in der Variante a) des Beispiels) erfolgt. Insbesondere hat die Zuordnung eines Sondereigentums zur Kategorie als Wohnungs- oder Teileigentum keinen "sachenrechtlichen" Gehalt. Sondereigentum muss zwar in der Teilungserklärung entweder als Wohnungs- oder als Teileigentum bezeichnet werden (§ 1 Abs. 2 bzw. Abs. 6 WEG), aber nur deshalb, weil der Gesetzgeber aus bestimmten, heute nicht mehr relevanten Gründen als Gegenstück zur "Wohnung" eine schlagwortartige Kurzbezeichnung für die "nicht Wohnzwecken dienenden Sondereigentumseinheiten" schaffen wollte: eben den Begriff "Teileigentum". Inhaltlich ist die Trennung völlig überholt; leider hat die WEG-Reform 2020 daran nichts geändert. Weil die Zuordnung als Wohnungs- bzw. Teileigentum Vereinbarungscharakter hat, ist eine Umwandlung von Wohnungs- in Teileigentum – und umgekehrt – durch Vereinbarung (ohne Auflassung) möglich. Eine solche Umwandlung bedarf keiner Zustimmung dinglicher Gläubiger, lediglich einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung. Soll die Änderung zum Inhalt des Grundbuchs werden (und alles andere wäre "witzlos"), muss die Eintragung (wie immer → § 2 Rdn 85) von allen Eigentümern bewilligt werden (außer wenn die Gemeinschaftsordnung einen "Änderungsvorbehalt" dergestalt enthält, dass ein einzelner Eigentümer dazu berechtigt ist). Oft wird auf Wunsch einzelner Eigentümer ein Beschluss über die zulässige Nutzung gefasst ("Mit der Nutzung der Einheit Nr. 3 als Eisdiele / Wohnung usw. besteht Einverständnis"); solche Beschlüsse sind (wenn nicht in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen) mangels Beschlusskompetenz nichtig (→ § 2 Rdn 4). Ein Anspruch auf Änderung der in der Teilungserklärung verankerten Nutzung besteht nur theoretisch (→ § 2 Rdn 106).
Rz. 4
Welche konkrete Nutzung nach der jeweiligen Zweckbestimmung zulässig ist, ist durch Auslegung der Teilungserklärung festzustellen. Dem Auft...