Rz. 28

Von Bedeutung kann auch (immer noch/wieder) die Frage sein, mit welchem Fahrzeug der Betroffene fährt. So haben vor einigen Jahren die mit dem sog. Sprinter zusammenhängenden Fragen in der Rechtsprechung erhebliche Bedeutung gehabt (dazu u.a. BayObLG, NJW 2004, 306; OLG Brandenburg, VRS 108, 377 = NZV 2005, 651; OLG Jena, NJW 2004, 3579 = NZV 2005, 383; OLG Karlsruhe, NZV 2005, 380, jeweils m.w.N.; AG Freiburg, NZV 2004, 265 und Zwiehoff, zfs 2005, 272). Bei diesen Entscheidungen geht/ging es darum, ob es sich bei dem Sprinter um einen Pkw handelt oder ggf. schon um einen Lkw, für den dann die Geschwindigkeitsbeschränkung aus § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO gilt (dazu auch Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2258 ff.).

 

Rz. 29

Für die Einordnung gilt (dazu BayObLG, NJW 2004, 306; OLG Karlsruhe, DAR 2004, 715; zuletzt OLG Hamm, NJW 2006, 245 ff. = VA 2006, 13 m.w.N.; AG Lüdinghausen, VA 2006, 200): Hinsichtlich der Einordnung eines Kfz als Lkw oder Pkw ist auf dessen konkrete Bauart, Ausstattung und Einrichtung abzustellen, da diese Eigenschaften des Fahrzeugs für dessen Verwendung, insb. die Beladung, von maßgeblicher Bedeutung sind und damit das Fahrverhalten des Fahrzeugs und dessen Beherrschbarkeit entscheidend prägen. Dagegen ist auch aus europarechtlicher Sicht nichts zu erinnern (EuGH, NJW 2006, 2539 = VRR 2006, 270).

 

Hinweis

In Betracht kommen kann wegen der Schwierigkeit der Einordnung in diesen Fällen ein Verbotsirrtum des Betroffenen, der dann Auswirkungen auf die Verhängung eines Fahrverbotes haben kann (vgl. BayObLG, NJW 2004, 306; OLG Karlsruhe, NZV 2005, 380 s. aber auch OLG Jena, NJW 2004, 3579 = NZV 2005, 383 [nur bis 2002]); auch OLG Hamm, NJW 2006, 245 ff. = VRR 2006, 73). Die damit zusammenhängenden Fragen muss der Verteidiger sorgfältig prüfen. Entscheidend wird sein, ob der Mandant eine Erkundigungspflicht hatte und wie er diese erfüllt hat (dazu OLG Hamm, a.a.O. und OLG Jena, a.a.O.).

 

Rz. 30

Das OLG Hamm (OLG Hamm, NJW 2006, 245 ff. = VRR 2006, 73) hat in zwei Beschlüssen hinsichtlich der Frage der Vermeidbarkeit auf folgende Umstände abgestellt:

Entsprach das Fahrzeug in vollem Umfang dem Originalauslieferungszustand?
Ist das der Fall, liege, wenn ein solches unverändertes Fahrzeug in den Zulassungspapieren als Pkw bezeichnet werde, für einen juristischen Laien die Annahme durchaus nahe, dass die in den Fahrzeugpapieren angegebene Fahrzeugart auch i.Ü. Straßenverkehrsrecht, insb. also auch im Anwendungsbereich der das Verhalten im Verkehr regelnden StVO, maßgeblich ist (so auch OLG Jena, NJW 2004, 3579).
Bestand für den Betroffenen zum Vorfallszeitpunkt unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse Anlass, über die verkehrsordnungsrechtliche Qualität seines Verhaltens näher nachzudenken und Erkundigungen einer zuverlässigen und fachkundigen Auskunftsperson einzuholen. Muss diese Frage verneint werden, obliegt dem Betroffenen keine Prüfungs- und Erkundigungspflicht.
Eine Erkundigungspflicht ist dann zu bejahen, wenn sich das von dem Betroffenen geführte Fahrzeug nicht mehr in seinem ursprünglichen (Auslieferungs-)Zustand befunden hat, sondern durch bauliche Veränderungen eindeutig zu einem Lkw umgebaut worden wäre (vgl. OLG Jena, NJW 2004, 3579 = NZV 2005, 383).
 

Hinweis

Eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht besteht auch dann, wenn der Betroffene durch rechtliche Hinweise, z.B. von in der Tagespresse veröffentlichten Gerichtsentscheidungen oder in Form von Äußerungen von Kontaktpersonen "sensibilisiert" worden wäre. Insoweit kommen Auskünfte des Arbeitgebers oder von Rechtsanwälten in Betracht. Der Betroffene darf sich allerdings nicht auf nicht näher begründete bzw. erläuterte Auskünfte seines Arbeitgebers verlassen (OLG Hamm, NJW 2006, 245 ff. = VRR 2006, 73).

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