Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Rz. 138
Von entscheidender Bedeutung für den Betroffenen ist beim qualifizierten Rotlichtverstoß, dass das AG bei seiner Zeitberechnung von den richtigen Grundlagen ausgegangen ist, insb. die richtige Stelle zugrunde gelegt hat. Insoweit ist es jetzt einhellige Meinung aller Obergerichte, dass für die Berechnung der Rotlichtzeit von mehr als 1 sec., der Zeitpunkt maßgeblich ist, an dem der Betroffene mit seinem Fahrzeug die Haltelinie passiert (BGHSt 45, 135 = NJW 1999, 2978; u.a. [zuletzt] KG, NStZ-RR 2014, 385 = NZV 2015, 403 = VRS 126, 120; Beschl. v. 24.6.2021 – 3 Ws (B) 131/21, NZV 2021, 643 = DAR 2022, 159; Beschl. v. 24.1.2022 – 3 Ws (B) 354/21, DAR 2022, 352 = VA 2022, 87; OLG Bremen, NZV 2010, 42; OLG Düsseldorf, NZV 2000, 134; Beschl. v. 13.7.2020 – IV-4 RBs 46/20, VA 2020, 199; OLG Hamm, DAR 2001, 436; VRR 2007, 316; NZV 2008, 309 = VA 2008, 100 = VRS 114, 298; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.2.2022 – 1 Rb 34 Ss 9/22, VA 2022, 87 u. 124; OLG Koblenz, Beschl. v. 2.6.2022 – 2 OWi 31 SsBs 99/22, zfs 2022, 409; OLG Köln, VRS 100, 140; OLG Saarbrücken, zfs 2016, 352; OLG Stuttgart, DAR 2015, 539 m.w.N.; vgl. a. die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3491 ff. und bei Hentschel/König/Dauer/König, § 37 StVO Rn 61 a.E.). An dieser Stelle sind die amtsgerichtlichen Urteile häufig fehlerhaft, da dort z.B. nicht selten nur ausgeführt wird, die Lichtzeichenanlage sei auf Rot umgesprungen, als der Betroffene die Lichtzeichenanlage passierte oder, als er den Kreuzungsbereich erreichte. Das ist für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht ausreichend (u.a. OLG Hamm, a.a.O.; VA 2001, 33 = zfs 2001, 232).
Hinweis
Neben dem Passieren der Haltelinie kann aber auch das Einfahren in den gesicherten Kreuzungsbereich ausreichen (BayObLG, NZV 1995, 497; zuletzt OLG Bremen, NZV 2010, 42; OLG Hamm, VA 2001, 33 = zfs 2001, 232).
Rz. 139
Die Feststellung, dass zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie die Lichtzeichenanlage Rotlicht gezeigt hat, muss vom Tatrichter auch nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet werden. Dazu ist i.d.R. erforderlich, dass die Schaltphasen der Ampelanlage mitgeteilt werden. Allein aus dem Umstand, dass für den Querverkehr Grünlicht angezeigt worden ist, als der Betroffene in den Kreuzungsbereich hineingefahren ist, kann nicht auf einen Rotlichtverstoß eines Betroffenen geschlossen werden (OLG Hamm, DAR 1999, 417 [Ls.]; Beschl. v. 18.6.1998 – 3 Ss OWi 503/98). Etwas Anderes soll allerdings gelten, wenn die Ordnungswidrigkeit nach den Urteilsfeststellungen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen hat (vgl. u.a. zuletzt KG, VRS 135, 198 = VA 2019, 48; Beschl. v. 24.7.2019 – 3 Ws (B) 243/19; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.2.2020 – 1 Ss-OWi 1508/19, zfs 2020, 410 = VA 2020, 87; dazu schon OLG Hamm, VRS 85, 464, 465; VRS 91, 67, 68; Beschl. v. 7.9.1999 – 4 Ss OWi 909/99; Beschl. v. 7.9.1999 – 4 Ss OWi 457/99).