Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Rz. 150
Der objektive Tatbestand des § 24a Abs. 1 StVG hat folgende Voraussetzungen:
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Der Betroffene muss im öffentlichen Straßenverkehr (dazu u.a. BGH VRS 12, 414, 415 f.; zuletzt BGH, VRR 2012, 32 = StV 2012, 218 = NStZ-RR 2012, 184 = DAR 2012, 389; NStZ 2013, 530 = zfs 2013, 528 = NZV 2013, 508 = VRR 2013, 148, 82; Beschl. v. 1.12.2020 – 4 StR 519/19, NZV 2021, 434; KG, VRR 2009, 30 = VA 2009, 31 [Ls.]; OLG Hamm, NZV 2008, 257 m.w.N. = VA 2008, 106; VRR 2009, 429 zum Kundenparkplatz eines Einkaufcentrums; OLG Jena, Beschl. v. 29.7.2020 – 1 OLG 121 Ss 116/20; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2019 – 1 OLG 2 Ss 77/19, DAR 2020, 153 = VA 2020, 49; zum Betriebsgelände LG Arnsberg, zfs 2017, 111 = VRR 3/2017, 15; AG Nürtingen, VA 2019, 48; zur Waschstraße, OLG Oldenburg, zfs 2018, 532 = VRR 10/2018, 12 = VA 2018, 192 = NZV 2018, 532 [Ls.]) ein Kfz geführt haben (zu Pedelecs, E-Bikes und E-Scootern Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3665 m.w.N. und die o.a. Lit.-Hinweise). Zum Begriff des öffentlichen Straßenverkehrs gilt § 1 StVG, zum Führen § 2 StVG (zu diesen straßenverkehrsrechtlichen Grundbegriffen Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3656 ff.; Burhoff, VA 2005, 107; 2015, 142 und die Zusammenstellung bei Burhoff, VA 2015, 142). |
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Entweder 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft oder 0,5 ‰ oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt (§ 24a Abs. 1 StVG; vgl. zum AAK-Grenzwert eingehend Haffner/Graw NZV 2009, 209; vgl. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3673 ff.). Ist ein Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG erreicht, bedarf das amtsgerichtliche Urteil i.d.R. keiner Ausführungen zu Art und Umfang der Alkoholaufnahme (KG, DAR 2018, 692 = zfs 2019, 52; a.A. OLG Hamm, BA 39, 123). |
Hinweis
Wird vom Betroffenen ein Nachtrunk behauptet (dazu Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3585 ff., 3601 ff.) muss das AG ggf. eine umfassende Beweiswürdigung machen; Trinkangaben und Nachtrunkbehauptungen müssen überprüft werden (dazu Aderjan/Schmitt/Schulz NZV 2007, 167; OLG Hamm, zfs 2003, 260 = VRS 104, 458 = NZV 2003, 539 = DAR 2003, 324; OLG Koblenz, DAR 2015, 402 = VA 2015, 102; zum Nachtrunk OLG Karlsruhe, DAR 2005, 104; zur unbewussten Alkoholaufnahme KG, VA 2016, 81).
Schließlich: Die Widerlegung einer konkreten Nachtrunkangabe durch einen Sachverständigen rechtfertigt ohne weitere Feststellungen nicht die Feststellung, dass überhaupt kein Nachtrunk vorgelegen hat (OLG Koblenz, a.a.O.).
Rz. 151
Für den subjektiven Tatbestand gilt: Der Betroffene muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.
Rz. 152
Die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung nach § 24a Abs. 1 StVG setzt eine umfassende Gesamtwürdigung aller indiziell relevanten Umstände des Einzelfalles voraus (dazu u.a. OLG Bamberg, DAR 2019, 53 = VA 2019, 28 = NZV 2019, 154 [Ls.] m.w.N.). Zwar kann insoweit auch ein bestimmtes Nachtatverhalten von Bedeutung sein, jedoch darf allein aus einem selbst mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unternommenen Versuch, sich einer drohenden Polizeikontrolle zu entziehen, noch nicht auf ein (bedingt) vorsätzliches Handeln des Betroffenen geschlossen werden (OLG Bamberg, a.a.O.).
Rz. 153
Hinsichtlich des Fahrlässigkeitsvorwurfes ist darauf zu achten, dass, während sich bei § 316 Abs. 2 StGB die Schuld auf die Fahrunsicherheit des Täters beziehen muss, bei § 24a Abs. 1 StVG Bezugspunkt das bloße Erreichen der genannten Grenzwerte ist (OLG Jena, VRS 109, 61 = BA 2005, 480; s. aber OLG Hamm VRS 107, 470, 471 = zfs 2004, 534). Die Tatsache, dass der Alkoholkonsum längere Zeit zurückliegt, lässt den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht entfallen (KG, DAR 2018, 692 = zfs 2019, 52). Das Urteil muss Feststellungen enthalten, aufgrund welcher konkreten Umstände der Betroffene voraussehen konnte, dass infolge seines Verhaltens § 24a StVG tatbestandsmäßig verwirklicht wurde, d.h., es sind Feststellungen über Art und Umstände der Alkoholaufnahme erforderlich (OLG Hamm, BA 2009, 46). Der Fahrlässigkeitsvorwurf kann ausnahmsweise dann entfallen, wenn der Grenzwert aufgrund unbemerkter und geschmacklich nicht wahrnehmbarer Alkoholzuführung erreicht oder überschritten wurde. Darauf muss sich der Betroffene aber berufen (OLG Jena, a.a.O.; zu allem Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3693 ff.). Schweigt der Betroffene, muss das AG nicht zu seinen Gunsten nicht von einer unbewussten Alkoholaufnahme ausgehen (KG, DAR 2018, 692 = zfs 2019, 52).