Rz. 88
▪ Belgien/Frankreich
Das belgische und französische Erbrecht kennt, wie viele andere romanisch geprägte Rechtskreise, auch zwei Formen der Erbschaftsannahme. Zum einen gibt es die Möglichkeit die Erbschaft vorbehaltslos anzunehmen mit dem Ergebnis einer unbeschränkten Haftung. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventaraufnahme (Art. 793 ff. belgisches ZGB/Art. 787 französischer c.c.) anzunehmen, was eine Begrenzung der Erbenhaftung auf den Wert des Nachlasses zur Folge hat. Diese Form der Annahme muss ausdrücklich und vor "Gericht" (in Frankreich vor der Geschäftsstelle des Tribunal de grande instance oder vor einem Notar am letzten Wohnsitz des Erblassers; in Belgien durch Erklärung in einer notariellen Urkunde, welche im zentralen Erbschaftsregister eingetragen wird) erfolgen. In Belgien haben Gläubiger nun binnen drei Monaten Zeit, ihre Forderungen gegenüber dem Nachlass anzumelden. In Frankreich besteht hierzu die Gelegenheit innerhalb von 15 Monaten.
Rz. 89
▪ Luxemburg
Vergleichbare Regelungen gibt es auch in Luxemburg. Hier hat der Erbe ebenfalls die Wahl zwischen Ausschlagung (Art. 748 Cciv), vorbehaltsloser Annahme der Erbschaft (Art. 774 Cciv) oder der Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (Art. 793 Cciv). Eine Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung führt dazu, dass sich das Eigenvermögen nicht mit dem Erbvermögen vermischt. Dies wiederrum hat Privilegierung der ansonsten unbeschränkten Erbenhaftung zur Folge. Der Erbe, welcher wirksam unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung die Erbschaft angenommen hat, haftet nur mit dem Nachlassvermögen. Aus diesem Grund ist diese Form der Erbschaftsannahme für Minderjährige obligatorisch. Mehrere Erben sind Teil- nicht Gesamtschuldner.
Rz. 90
▪ Spanien
Letztlich kennt auch das spanische Erbrecht (als romanisch geprägter Rechtskreis) zwei Formen der Erbschaftsannahme. Zum einen die vorbehaltslose Annahme der Erbschaft (ohne Haftungsbeschränkung) gemäß Art. 1003 c.c. Wird diese Form der Annahme gewählt, so haftet der Erbe nicht nur mit der Nachlassmasse, sondern mit seinem Gesamtvermögen.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Erbschaft unter dem Vorbehalt (Rechtswohltat) der Inventarerrichtung anzunehmen (a benifico de inventario) gemäß Art. 998 c.c. Diese Form der Annahme beschränkt die Haftung des Erben auf das Ererbte und hält zudem die Vermögensmassen des Erben mit der des Nachlasses getrennt. Es sind strenge Formerfordernisse zu beachten. Die Annahme unter Vorbehalt unterliegt einer Frist und muss vor einem Notar oder einem Richter erklärt werden.
Der Erbe verliert die Rechtswohltat des Inventars, wenn er wissentlich die Aufnahme von Vermögensgegenständen in die Inventarliste unterlässt oder wenn er Vermögensgegenstände des Nachlasses veräußert, bevor nicht alle Nachlassverbindlichkeiten beglichen wurden bzw. wenn er den aus dem Verkauf von Nachlassgegenständen erzielten Erlös nicht zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verwendet hat.
Bis zur Teilung der Erbmasse haftet jeder Miterbe nur bis zur Höhe seiner Erbquote. Nach der durchgeführten Teilung haften die Erben gesamtschuldnerisch gemäß Art. 1084 c.c. Erben, die die Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung angenommen haben, haften freilich nur bis zur Höhe der ihnen zugewandten Erbmasse.