Rz. 30
▪ Bosnien-Herzegowina
Die Haftung der Erben ist in Bosnien-Herzegowina auf den Wert des ererbten Vermögens beschränkt. Die Haftung jedes einzelnen Erben bleibt dabei, unabhängig davon, ob sich die Erben bereits auseinandergesetzt haben oder nicht, auf den jeweiligen Erbteil des Miterben beschränkt. Die Haftung ist unabhängig von dem Umstand, ob die Erbschaft bereits auseinandergesetzt wurde oder nicht. Nachlassgläubiger können nach Art. 144 ErbG binnen drei Monaten eine Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Miterben verlangen.
Rz. 31
▪ Deutschland
In Deutschland hingegen ist die Haftung, anders als in Bosnien-Herzegowina, nicht auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Grundsätzlich haften die Erben in einer Erbengemeinschaft unbeschränkt für etwaige Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden) gemäß § 1967 BGB. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB). Dem Gläubiger steht es zu jeder Zeit frei, sich gemäß § 2059 Abs. 2 BGB am ungeteilten Nachlass zu befriedigen (zur Haftung nach § 2059 BGB vgl. auch § 6 Rdn 77 ff.). Verfolgt er dieses Anliegen (vor Teilung des Nachlasses), so kann er eine Gesamthandsklage erheben, in der alle Miterben notwendige Streitgenossen sind (§ 6 Rdn 240). Die Haftung kann durch Errichtung eines Inventars gemäß §§ 1993, 1994 BGB auf den Nachlass beschränkt werden; allein die Errichtung des Inventars führt sie jedoch noch nicht herbei.
Aus zivilprozessualer Sicht besteht noch die Möglichkeit gemäß § 780 ZPO, sich den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Urteil austenorieren zu lassen. Voraussetzung ist ein entsprechender Antrag der Partei. Vom Anwendungsbereich des § 780 ZPO wird jede Art von Nachlassverbindlichkeit erfasst.
Nach der Teilung besteht die unbeschränkte Haftung prinzipiell fort. Nur in den Fällen des § 2060 Nr. 1–3 BGB haftet der Erbe nur noch mit seinem Erbteil.
Rz. 32
▪ Finnland
In einer Erbengemeinschaft finnischen Erbrechts ist die Haftung für Schulden des Erblassers grundsätzlich auf den Nachlass (das Nachlassvermögen) beschränkt. Eine Ausweitung der Haftung erfolgt nur insoweit, als dass die Erben ein grob fahrlässiges Fehlverhalten zeigen; also beispielsweise ihrer Pflicht zur Inventarisierung des Nachlasses nicht binnen der gesetzlichen Pflicht nachkommen. Sind einzelne Nachlassgegenstände bereits vor Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass entnommen bzw. verteilt, so steht dem Nachlassabwickler das Recht zu, diese zurückzufordern, sofern der Nachlassabwickler dies zur Befriedigung der Nachlassgläubiger für notwendig erachtet.
Rz. 33
▪ Norwegen
Eine vollständige Beschränkung der Haftung auf die Nachlassmasse kennt das norwegische Erbrecht nicht. In Norwegen ist es aber wiederum keine Voraussetzung für eine Annahme der Erbschaft, dass die Erben die Erblasserschulden übernehmen. Es ist zu unterscheiden zwischen einer privaten und einer öffentlichen Nachlassauseinandersetzung. Bei einer privaten Auseinandersetzung ist es zwingend, dass bei einer Mehrheit von Erben mindestens ein Erbe für die Verbindlichkeiten des Erblassers einsteht. Bei einer sogenannten öffentlichen Auseinandersetzung des Nachlasses erfolgt durch das zuständige Gericht ein Aufgebotsverfahren (proklama) gemäß § 69 SL. In diesem haben die Gläubiger ihre Ansprüche anzumelden. Im Falle der Fristversäumnis erlischt die Nachlassforderung, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
Rz. 34
▪ Schweiz
In der Schweiz haften die Miterben für die Schulden des Erblassers gemäß Art. 560 Abs. 2 sowie Art. 603 Abs. 1 ZGB persönlich und solidarisch. Auf Seiten der Erben besteht jedoch die Möglichkeit, die Haftung zu beschränken. Hierzu muss ein Miterbe die Anordnung eines öffentlichen Inventars gemäß Art. 580 ff. ZGB beantragen. Voraussetzung ist allerdings gemäß Art. 571 Abs. 2 ZGB, dass das Begehren zur Errichtung des öffentlichen Inventars gestellt wird, bevor der "Erbe" die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen hat, oder aber die amtliche Liquidation begehrt wurde. Das Begehren muss binnen Monatsfrist angebracht werden. Zuständig sind gemäß Art. 580 Abs. 2 ZGB die nach kantonalem Recht zu bestimmenden Behörden.
Rz. 35
▪ Türkei
Die Haftung in der Türkei ist weitergehend als in der Schweiz. In der Türkei haften die einzelnen Miterben für etwaige Nachlassschulden nämlich grundsätzlich solidarisch, persönlich und unbeschränkt. Die Haftung erstreckt sich auch auf die Erfüllung von Vermächtnissen. Ist hingegen nur ein Erbe mit einem Vermächtnis beschwert, so haftet freilich nur dieser für die Erfüllung des Vermächtnisses. Der Gläubigerschutz hat in der Türkei einen hohen Stellenwert erhalten. Dies geht sogar so weit, dass ein Gläubiger des Nachlasses die Erbausschlagung eines "Erben" anfechten kann, wenn dies offensichtlich der Gläubigerbenachteiligung dient und die Erbschaft ausgeschlagen wurde, um sie dem Gläubiger zu entziehen.
Rz. 36
▪ Ungarn
In Ungarn ist die Haftung der Erben beschrän...