Rz. 108
Für sachenrechtliche Verhältnisse gilt gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB das am Belegenheitsort der Sache geltende Recht (Sachenstatut). Dieses Recht entscheidet nicht nur darüber, welche Rechte an einer Sache begründet werden können, sondern auch, wie diese entstehen. Wenn es zur Übertragung des Eigentums im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge, also z.B. der Erbfolge, kommt, erkennt das deutsche Sachenstatut (Einzelstatut) den durch das Vermögensstatut (Gesamtstatut) angeordneten Vermögensübergang (Universalsukzession) an. Erkennt ein ausländisches Sachenstatut die ipso iure eintretende Universalsukzession nicht bzw. nur eingeschränkt an – weil es insoweit z.B. die ausdrückliche Annahme der Erbfolge in einer bestimmten Form verlangt (wie das italienische und das spanische Recht), die Übertragung des Nachlasses auf die Erben durch gerichtlichen Einantwortungsbeschluss (Österreich) oder dieses einen direkten Erwerb durch die "Erben" überhaupt versagt und einen gerichtlich autorisierten und überwachten personal representative dazwischenschaltet, der die Nachlassabwicklung zugunsten der Vermächtnisnehmer und Nachlassgläubiger durchführt (England, USA) –, so ergibt sich ein Widerspruch zum sachenrechtlichen System dieses Landes, welches diese Art des Eigentumserwerbs nicht anerkennt.
Rz. 109
Dieses Problem bei der Koordination von Vermögensstatut und Einzelstatut ergibt sich nicht nur bei Rechten an Sachen; auch unkörperliche Rechte wie schuldrechtliche Forderungen, Urheberrechte, Patente und andere gewerbliche Schutzrechte sowie sonstige Vermögensrechte aller Art sind betroffen.
Rz. 110
Jedenfalls ist nach dem Sachen- bzw. Einzelstatut die vorgreifliche Frage zu entscheiden, welche Vermögensrechte überhaupt zum Vermögen des Erblassers gehören und ob sie nach seinem Tode überhaupt noch fortbestehen und in den Nachlass fallen. So mag das für den jeweiligen Vermögensgegenstand maßgebliche Einzelstatut vorsehen, dass das Recht als höchstpersönliches Recht mit dem Tode des Erblassers untergeht oder (wie z.B. ein Nießbrauch, eine Beteiligung an einer Personengesellschaft mit Fortsetzungsklausel oder Nachfolgeklausel, eine Position als Miteigentümer im Rahmen einer joint tenancy, Ansprüche aus einem trust oder eine Berechtigung an einer Familienstiftung etc.) nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur auf bestimmte Personen übertragen werden kann bzw. mit dem Tode ipso iure auf eine bestimmte andere Person übergeht. Diese Frage ist also nicht nach dem Erbstatut zu beurteilen, sondern als Vorfrage nach dem für den jeweiligen Gegenstand – z.B. gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB – maßgeblichen Einzelstatut zu behandeln.
Beispiel:
Bei der joint tenancy angloamerikanischen Rechts sind mehrere Personen an einem Recht in einer Weise beteiligt, die am ehesten mit der deutschen Gesamthand vergleichbar ist. Verstirbt einer der Beteiligten, wächst der Anteil des Verstorbenen den Überlebenden automatisch zu. Die Wirksamkeit einer derartigen Form des Miteigentums bzw. der Mitberechtigung ist sachenrechtlich zu qualifizieren, so dass es bei unbeweglichen und beweglichen körperlichen Gegenständen auf das jeweilige Sachenstatut (vgl. Art. 43 Abs. 1 EGBGB) ankäme; bei anderen Rechten wäre das für das jeweilige Recht maßgebliche Statut anwendbar (also z.B. bei vertraglichen Forderungen das Schuldstatut gem. Art. 3 ff. Rom I-VO). Ist danach die Beteiligung dem Nachlass entzogen, ergibt sich aus dem Erbstatut allenfalls, ob die Begründung der joint tenancy als ergänzungspflichtige unentgeltliche Zuwendung zu behandeln ist. Grundsätzliche Bedenken auf der Basis deutschen Erbstatuts sind m.E. schon deswegen unangebracht, weil das deutsche Recht in gesellschaftsrechtlichen Fortsetzungsklauseln eine weitgehend vergleichbare Konstruktion anerkennt.