A. Die Qualifikation
Rz. 1
Die EuErbVO ist gem. Art. 1 Abs. 1 EuErbVO auf die "Rechtsnachfolge von Todes wegen" anzuwenden. Als "Rechtsnachfolge von Todes wegen" gilt gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge. Unter der Geltung von Art. 25 EGBGB a.F. wurden im Wesentlichen sämtliche im Fünften Buch des BGB geregelten Gegenstände als "erbrechtlich" angesehen. Eine entsprechende Verkoppelung mit einem materiellen Zivilrecht ist – da es ein solches auf EU-Ebene nicht gibt – im Rahmen der EuErbVO nicht möglich. Daher wird in Art. 23 Abs. 2 EuErbVO der Gegenstand des Erbstatuts wie folgt näher ausgeführt:
a) |
die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort; |
b) |
die Berufung der Berechtigten, die Bestimmung ihrer jeweiligen Anteile und etwaiger ihnen vom Erblasser auferlegter Pflichten sowie die Bestimmung sonstiger Rechte an dem Nachlass, einschließlich der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners; |
c) |
die Erbfähigkeit; |
d) |
die Enterbung und die Erbunwürdigkeit; |
e) |
der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und gegebenenfalls die Vermächtnisnehmer, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und deren Wirkungen; |
f) |
die Rechte der Erben, Testamentsvollstrecker und anderer Nachlassverwalter, insbesondere im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen und die Befriedigung der Gläubiger, unbeschadet der Befugnisse nach Artikel 29 Absätze 2 und 3; |
g) |
die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten; |
h) |
der verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Testierfreiheit sowie etwaige Ansprüche von Personen, die dem Erblasser nahestehen, gegen den Nachlass oder gegen den Erben; |
i) |
die Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen bei der Bestimmung der Anteile der einzelnen Berechtigten und |
j) |
die Teilung des Nachlasses. |
Rz. 2
Unproblematisch hinzufügen lassen sich die Gegenstände, die unter das "Errichtungsstatut" i.S.v. Art. 24 und Art. 25 EuErbVO fallen und in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO aufgezählt werden:
a) |
die Testierfähigkeit der Person, die die Verfügung von Todes wegen errichtet; |
b) |
die besonderen Gründe, aufgrund deren die Person, die die Verfügung errichtet, nicht zugunsten bestimmter Personen verfügen darf oder aufgrund deren eine Person kein Nachlassvermögen vom Erblasser erhalten darf; |
c) |
die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen; |
d) |
die Auslegung der Verfügung; |
e) |
Täuschung, Nötigung, Irrtum und alle sonstigen Fragen in Bezug auf Willensmängel oder Testierwillen der Person, die die Verfügung errichtet. |
Rz. 3
Die negative Abgrenzung des Erbstatuts ergab sich im nationalen Erbrecht daraus, dass alle Regelungsgegenstände, die von einer anderen Kollisionsnorm erfasst werden (in Deutschland also durch eine andere Kollisionsnorm im EGBGB), damit automatisch aus dem Anwendungsbereich der erbrechtlichen Kollisionsnorm herausgenommen waren. In einem geschlossenen System von Kollisionsnormen begrenzen sich die Kollisionsnormen notwendigerweise gegenseitig. Dieses Korrektiv entfällt im europäischen IPR deswegen, weil die Kodifikation des Internationalen Privatrechts in der EU schrittweise erfolgt, es also Bereiche gibt, die nicht europarechtlich geregelt sind, sondern weiterhin Gegenstand des nationalen IPR sind. Nationales IPR kann aber den Anwendungsbereich einer europarechtlichen Vorschrift nicht beschränken. Daher listet Art. 1 Abs. 2 EuErbVO im Wege einer negativen Abgrenzung die Themen auf, die vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen sein sollen. Das sind insbesondere:
▪ |
der Personenstand sowie Familienverhältnisse und Verhältnisse, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen entfalten; |
▪ |
die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen, unbeschadet des Art. 23 Abs. 2 lit. c und des Art. 26 EuErbVO; |
▪ |
Fragen betreffend die Verschollenheit oder die Abwesenheit einer natürlichen Person oder die Todesvermutung; |
▪ |
Unterhaltspflichten außer derjenigen, die mit dem Tod entstehen; |
▪ |
die Formgültigkeit mündlicher Verfügungen von Todes wegen; |
▪ |
Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet oder übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen, Miteigentum mit Anwachsungsrecht des Überlebenden (joint tenancy), Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen, unbeschadet des Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO; |
▪ |
Fragen des Gesellschaftsrechts, des Vereinsrechts und des Rechts der juristischen Personen, wie Klauseln im Errichtungsakt oder in der Satzung einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person, die das Schicksal der Anteile verstorbener Gesellschafter beziehungsweise Mitgliede... |