Florian Kienle, Pius Dolzer
Rz. 148
Angesichts der geringen Kapitalausstattung bestimmter Auslandsgesellschaften wird es in zahlreichen Fällen an einer für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinreichenden Masse fehlen.
Rz. 149
Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO ist das Insolvenzstatut auch für die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse maßgeblich. Aus deutscher Sicht bestimmt § 26 Abs. 1 InsO, dass der Eröffnungsantrag vorbehaltlich des Vorschusses eines ausreichenden Geldbetrages mangels Masse abgelehnt wird, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die – regelmäßig beachtlichen – Kosten des Verfahrens zu decken.
Rz. 150
Die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse ist im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Auflösung eine selbstständige Vorfrage, so dass das Gesellschaftsstatut über die Rechtsfolgen einer dem Insolvenzstatut unterliegenden Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse befindet. Nach dem deutschen GmbHG wird die Gesellschaft gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 mit der Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses aufgelöst. Infolge der funktionalen Äquivalenz der gesellschaftsrechtlichen und der insolvenzrechtlichen Liquidation wurde vorgeschlagen, auch die gesellschaftsrechtlichen Folgen der ablehnenden Eröffnungsentscheidung, namentlich die Auflösung, die Pflicht zur Führung des Firmenzusatzes "i.L.", das Verteilungsverfahren etc., dem Insolvenzstatut zu unterstellen. Diese Auffassung hat für sich, dass es keinen sachlichen Unterschied begründet, ob die Gesellschaft noch über eine für die Eröffnung hinreichende Masse verfügt oder nicht. Ferner erscheinen die Gläubiger, deren Rechte mangels Masse nicht im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens abgewickelt werden, besonders schutzwürdig, so dass zur Vermeidung von Schutzlücken eine Anwendung der inländischen Liquidations- einschließlich im Zusammenhang damit stehender Haftungsvorschriften angezeigt sein könnte.
Rz. 151
Indes rechtfertigt das Gläubigerinteresse allenfalls die Anwendung spezifischer inländischer Haftungsinstitute auf Scheinauslandsgesellschaften, nicht aber die Anwendung des gesamten Abwicklungsverfahrens. Im Ergebnis ist die Liquidation gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, da es originäre Aufgabe des Personalstatuts ist, über das Erlöschen des Rechtssubjekts und seine Abwicklung zu befinden. Auch stellt die gesellschaftsrechtliche Auflösung kein Verfahren i.S.v. Art. 2 Nr. 4 EuInsVO i.V.m. Anhang A dar. Allenfalls ließe sich die Anwendung der inländischen gesellschaftsrechtlichen Liquidationsvorschriften als Marktrückzugsregelung und damit niederlassungskonforme Anwendung von Inlandsvorschriften im Sinne der Keck-Rechtsprechung begründen.