Rz. 84
Das Berufungsurteil hielt den Angriffen der Revision nicht stand.
Das Berufungsgericht hatte – aus seiner rechtlichen Sicht zu Recht – unentschieden gelassen, ob der Übergang der Klageansprüche auf den Kläger an der Übergangsschranke des § 116 Abs. 6 SGB X gescheitert war. Dies war nicht der Fall. Bei den Klageansprüchen handelte es sich um die Direktansprüche der Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers aus §§ 823, 843 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG. Dem Übergang dieser Ansprüche auf den Sozialhilfeträger stand – im Unterschied zu den Ansprüchen, die sich gegen den Schädiger richten – § 116 Abs. 6 SGB X nicht entgegen.
Rz. 85
Allerdings hatte der Senat im Urt. v. 5.12.1978 – VI ZR 233/77 – VersR 1979, 256, 257 f. – die Auffassung vertreten, dass die Rechtsnatur des Direktanspruchs einen getrennten, vom Haftpflichtanspruch losgelösten Übergang des Direktanspruchs auf einen neuen Gläubiger nicht zulässt. Tragend war dabei der Gedanke, dass der Direktanspruch als akzessorisches Recht der Sicherung der Forderung des Verletzten dient und insoweit in seinem Bestand von dem Haftpflichtanspruch abhängig ist; geht – so führte der Senat aus – der Haftpflichtanspruch auf einen neuen Gläubiger über, so geht entsprechend § 401 BGB auch der ihn sichernde Direktanspruch über, und geht der Haftpflichtanspruch nicht über, so geht auch der Direktanspruch nicht über.
Rz. 86
Diese Entscheidung bezog sich auf den Anspruchsübergang auf einen Sozialversicherungsträger. Ob an ihr uneingeschränkt festgehalten werden kann, mag dahinstehen. Im vorliegenden Fall geht es nämlich um einen Anspruchsübergang auf einen Sozialhilfeträger. Dies bedeutet, dass bei der Anwendung der Übergangsschranke des § 116 Abs. 6 SGB X dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe Rechnung zu tragen ist. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass derjenige, dem ein alsbald realisierbarer Anspruch gegen einen Dritten zusteht, diesen Anspruch zur Deckung seines Bedarfs verwirklichen muss und daher in dessen Umfang nicht hilfsbedürftig ist (vgl. Senatsurt. v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – VersR 1996, 349, 350 m.w.N. – zum Abdruck in BGHZ 131, 274 vorgesehen). Es liegt in der Konsequenz dieses Subsidiaritätsgrundsatzes, dass dem Sozialhilfeträger dann, wenn er – wie hier – vor einem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer auf Leistung in Anspruch genommen wird, der Rückgriff gegen den Haftpflichtversicherer offenstehen muss; erst durch diesen Rückgriff wird die Lage wiederhergestellt, die dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe entspricht. Eine andere Auslegung des § 116 Abs. 6 SGB X würde zu einem Normenkonflikt mit dem in § 2 BSHG verankerten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe führen. Der Senat hat im Übrigen schon im Urt. v. 12.7.1983 – VI ZR 184/81 – VersR 1983, 989, 990 – im Hinblick auf das sozialhilferechtliche Nachrangprinzip die entsprechende Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG verneint.
Rz. 87
Allerdings bedeutet diese Auslegung des § 116 Abs. 6 SGB X, dass für den Fall des Übergangs des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer auf den Sozialhilfeträger der mit dem Direktanspruch verbundene Akzessorietätsgedanke gegenüber dem Subsidiaritätsgrundsatz des Sozialhilferechts zurücktritt. Dies erscheint indes im Hinblick darauf hinnehmbar, dass die Rechtsprechung dem Direktanspruch in verschiedener Hinsicht inzwischen eine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. So ist entschieden, dass der Direktanspruch nicht durch eine sog. Konfusion untergeht, wenn der verletzte Beifahrer der Alleinerbe des Fahrers ist, der den Unfall verschuldet hat (OLG Hamm, bestätigt durch NA-Beschluss des Senats v. 14.3.1995 – VI ZR 230/94 – VersR 1995, 454). Ferner hat der Senat in BGHZ 116, 200, 207 ff. ausgeführt, dass die Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei gefahrgeneigter Arbeit entfällt, wenn und soweit der Arbeitnehmer in den Schutzbereich des Pflichtversicherungsgesetzes einbezogen ist. In einem anderen Senatsurteil heißt es, dass bei der Frage, ob dem Unfallverletzten aus Billigkeitsgründen Schadensersatz nach § 829 BGB zuzubilligen ist, berücksichtigt werden kann, dass für den schuldlos handelnden Schädiger Versicherungsschutz aufgrund einer Kfz-Pflichtversicherung besteht (BGHZ 127, 186, 192).
Rz. 88
Die Klage scheiterte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht an der Verjährungseinrede des Beklagten.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ließ sich der Zeitpunkt, in dem die Klageansprüche auf den Kläger übergegangen waren, nicht festlegen. Der Anspruchsübergang fand statt, als aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit der Geschädigten, mit der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ernsthaft zu rechnen war (vgl. Senatsurt. v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – a.a.O.). Die Feststellungen des Berufungsgerichts ließen nicht erkennen, ob sich – was nach der Schwere der Verletzungen nahelag – schon von Anfang an mit Deutlichkeit abgezeichnet hatte, dass die Verletzte...