Rz. 37

Gerade dann, wenn die Vermögensverhältnisse der Ehegatten sehr unterschiedlich sind, legt der besser situierte Ehegatte häufig Wert darauf, das Vermögen in seiner Familie zu halten und an seine einseitigen Kinder weiterzugeben.

1. Nutzungsrechte für den überlebenden Ehegatten

 

Rz. 38

Auch wenn häufig das Vererben in der eigenen Kernfamilie im Vordergrund steht, so ist es dennoch regelmäßig der Wunsch der Ehegatten, den überlebenden Ehegatten entsprechend abzusichern, ohne ihm allerdings Vermögenssubstanz zuzuwenden. Deshalb wird der überlebende Partner oft nur mit Nutzungsrechten bedacht. Hier kommen insbesondere in Frage das Nießbrauchsvermächtnis, das Wohnungsrechtsvermächtnis und auch das Hausratsvermächtnis.

a) Nießbrauchsvermächtnis

aa) Allgemeines

 

Rz. 39

Gemäß §§ 1030 ff. BGB kann eine Sache in der Weise belastet werden, dass die Person, zu deren Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen. Gerade bei Testamenten in Patchworkfamilien soll darüber die Versorgung des anderen Ehegatten sichergestellt werden, ohne ihm wesentliche Vermögensbestandteile, wie z.B. Grundstücke, zu übertragen. Dieses Recht erlischt mit dem Tod des Nießbrauchnehmers und ist weder übertragbar (§ 1059 BGB) noch vererblich (§ 1061 BGB).

bb) Rechte und Pflichten des Nießbrauchnehmers

 

Rz. 40

Die Rechte des Nießbrauchnehmers stellen sich zusammengefasst wie folgt dar:

Recht auf Besitzüberlassung,
Recht auf ordnungsgemäße Bewirtschaftung,
Recht auf Behalten der sich ergebenden Reinerträge,
Recht einer dritten Person schuldrechtlich die Ausübung des Nießbrauchs zu überlassen (§ 1059 S. 2 BGB). Hierzu zählt auch die Vermietung, Verpachtung oder die unentgeltliche Überlassung ohne Zustimmung des Eigentümers.
 

Rz. 41

Die Pflichten des Nießbrauchnehmers sind wie folgt zusammenzufassen:

Verbot der übermäßigen Nutzung (§ 1036 BGB),
Verbot der Umgestaltung und wesentlichen Veränderung der Sache (§ 1037 BGB),
Pflicht zur Übernahme der Ausbesserungen und Erneuerungen, die zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache erforderlich sind (§ 1041 BGB),
Pflicht die Sache gegen Brandschäden und sonstige Unfälle zu versichern (§ 1045 BGB),
Pflicht zur Tragung der öffentlichen und privatrechtlichen Lasten (§ 1047 BGB),
Pflicht zum Ersatz des Werts der Übermaßfrüchte,
Anzeigepflicht bei Beschädigung der Sache,
Duldung der Ausbesserungsarbeiten durch den Eigentümer.

cc) Rechte des Eigentümers

 

Rz. 42

Dem Eigentümer stehen folgende Rechte gegenüber dem Nießbrauchnehmer zu:

Unterlassungsanspruch, wenn der Nießbrauchnehmer den Gegenstand unbefugt nutzt (§ 1053 BGB),
Anspruch, den Zustand der Sache durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen (§ 1034 BGB),
Anspruch auf Sicherheitsleistung, wenn der Nießbrauchnehmer die Rechte des Eigentümers in erheblichem Maße verletzt (§ 1051 BGB),
Anspruch auf gerichtliche Verwaltung des Nießbrauchs bei erheblicher Verletzung der Rechte des Eigentümers durch den Nießbrauchnehmer (§ 1052 BGB).

dd) Nießbrauch an Sachen und insbesondere Grundstücken

 

Rz. 43

Ein Nießbrauch kann bestellt werden an beweglichen und unbeweglichen Sachen aller Art, an Rechten, aber auch an Sachgemeinschaften wie z.B. einer Erbschaft. Zur Absicherung des länger lebenden Ehegatten eignet sich insbesondere der Grundstücksnießbrauch.

Der Nießbrauch kann in einer letztwilligen Verfügung zugewendet werden. Der im Wege des Vermächtnisses Begünstigte hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erklärung der dinglichen Einigung nach § 873 BGB sowie auf Eintragung des Nießbrauchrechts in das Grundbuch nach Bewilligung durch die Erben (§ 19 GBO). Bei Bestellung eines Grundstücksnießbrauchs in einer notariellen letztwilligen Verfügung kann die dingliche Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB und die grundbuchverfahrensrechtliche Bewilligung nach § 19 GBO jedoch auch bereits in die notarielle Verfügung von Todes wegen aufgenommen werden. Der Nießbrauchnehmer kann dann nach dem Tod des Erblassers den Eintragungsantrag nach § 13 GBO stellen. Die Erben sind hieran gemäß §§ 130 Abs. 2, 873 Abs. 2 BGB gebunden.[52]

Es kann aber auch dem Nießbrauchnehmer eine transmortale oder postmortale Vollmacht zur Erklärung der Einigung und Abgabe der erforderlichen Grundbucherklärung vom Erblasser erteilt werden.[53]

Ferner besteht die Möglichkeit, zum Zwecke der Erfüllung des Nießbrauchsvermächtnisses den Nießbrauchnehmer zum Testamentsvollstrecker zu ernennen.

 

Formulierungsbeispiel (muss notariell beurkundet werden)

Mein Ehemann erhält im Wege des Vermächtnisses den unentgeltlichen lebenslangen Nießbrauch an dem Anwesen in Y-Stadt, FlNr. X. Die zum Vollzug erforderliche dingliche Einigung gemäß § 873 Abs. 1 BGB sowie die Eintragungsbewilligung gemäß § 19 GBO gebe ich hiermit bereits jetzt ab.

 

Rz. 44

Grundsätzlich hat der Eigentümer nach § 1041 BGB auch die außergewöhnlichen Lasten und Erhaltungsmaßnahmen zu tragen. In Abweichung zu dieser gesetzlichen Regelung kann der Erblasser bestimmen, dass der Nießbrauchnehmer alle Lasten des Grundstücks trägt. Eine derartige Regelung empfiehlt sich aus mehreren Gründen.

Zum einen führt es bei den Eigentümern, im Rahmen von Testamenten für Patchworkfamilien sind das zumeist die einseitigen Abkömmlinge d...

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