A. Gestaltungsprobleme und Gestaltungsziele

 

Rz. 1

Die meisten Geschiedenen werden zu "Wiederholungstätern" und heiraten erneut. Auch eine große Anzahl von Witwern und Witwen gehen nochmals den Bund fürs Leben ein. In aller Regel werden von einem Ehegatten oder gar von beiden Ehegatten Kinder aus früheren Beziehungen in die Ehe mitgebracht. Es entstehen sog. Stiefkinderverhältnisse. Werden dann noch gemeinsame Kinder gezeugt, spricht man von einer "Patchworkfamilie". Selbstverständlich kann die neue Liaison auch als nichteheliche Partnerschaft geführt werden.

Ihre besondere Brisanz erhält die Patchworkfamilie durch die unterschiedliche Elternschaft und die daraus resultierenden Differenzen im Erbrecht, Pflichtteilsrecht, aber auch im Unterhaltsrecht, im Umgangsrecht und in der Frage der elterlichen Sorge. Es drängen sich insbesondere folgende Gestaltungsprobleme auf:

Gleichstellung aller vorhandenen Kinder,
unterschiedliche Behandlung der Kinder,
Absicherung des überlebenden Ehegatten,
Regelung bei gleichzeitigem Versterben beider Ehegatten,
unterhaltsrechtliche Absicherung der Stiefkinder gegenüber dem alleinverdienenden Stiefelternteil,
Ausschaltung der Ex-Ehegatten,
Beachtung der Pflichtteilsrechte.
 

Rz. 2

Die Vorstellungen der Eheleute, was nach ihrem Ableben mit ihrem Vermögen geschehen soll, sind so unterschiedlich, wie die Menschen selbst. Im Großen und Ganzen können die Wünsche aber in zwei Kategorien unterteilt werden. Die eine Gruppe wünscht eine Gleichbehandlung aller Kinder. Dieser Wunsch dominiert gerade dann sehr häufig, wenn das Vermögen beider Ehegatten nicht sehr hoch ist und die Absicherung des überlebenden Ehegatten im Vordergrund steht. Die Kinder sollen sich bis zum Schlusserbfall gedulden. Die andere Gruppe wünscht eine Beerbung nur von ihren eigenen Abkömmlingen. Dies kommt bei unterschiedlichen Vermögenswerten der wiederverheirateten Ehegatten und sehr hohen Vermögenswerten häufiger vor. Dazwischen werden aber auch alle weiteren denkbaren Wünsche geäußert, so dass eine starre Nachlassverteilung nach bestimmten Testamentstypen ("Geschiedenentestament" oder "Stiefkindertestament") nur in den seltensten Fällen in Frage kommt.

B. Steuerliche Behandlung von Stiefkindern

 

Rz. 3

In § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wird nicht zwischen den eigenen leiblichen, adoptierten Kindern und Stiefkindern unterschieden. Stiefkinder verfügen deshalb über die gleichen erbschaftsteuerlichen Freibeträge wie leibliche Kinder, also über 400.000 EUR.[1] Außerdem gehören sie zur günstigen Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Dieser Umstand ist in der Bevölkerung nur wenig bekannt.

Das anerkannte nichteheliche Kind des Ehemanns ist im Verhältnis zu dessen Ehefrau Stiefkind.[2] Das von der Ehefrau angenommene Kind ist im Verhältnis zum Ehemann Stiefkind.[3]

Die Gleichstellung von Stiefkindern mit leiblichen Kindern gilt nur für das Erbschaftsteuerrecht (§ 1590 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Stiefkindverhältnis besteht auch dann weiter, wenn die Ehe, durch die dieses Verhältnis begründet wurde, aufgelöst wird (§ 1590 Abs. 2 BGB), gleich ob durch Tod oder Scheidung.[4]

Die Einstellung des Gesetzgebers zu Stiefkindern im Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht kann als konsequent bezeichnet werden. Durch die nochmalige Heirat eines Elternteils soll das Kind nicht an einem möglicherweise hohen Vermögen des Stiefelternteils erbrechtlich partizipieren können. Durch die Heirat des Elternteils entsteht also weder ein Erbrecht noch ein Pflichtteilsrecht des Kindes zum Stiefelternteil. Sollte sich aber das Verhältnis zwischen Stiefkind und Stiefelternteil positiv entwickeln, was häufiger vorkommt als man glauben mag, und das Stiefelternteil das Stiefkind zu seinem Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen will, steht dem Stiefkind der gleiche steuerliche Freibetrag und die gleiche günstige Steuerklasse I zu wie gegenüber dem leiblichen Elternteil.

[1] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 16 ErbStG Rn 11; Kapp/Ebeling, § 16 ErbStG Rn 8.
[2] Vgl. BFH, BStBl II 1973, 454.
[3] Vgl. BFH, BStBl II 1973, 453.
[4] Grüneberg/Siede, § 1590 Rn 2.

C. Umgangsrecht

 

Rz. 4

Seit dem 1.4.2004 haben alle Bezugspersonen eines Kindes ein Umgangsrecht, die tatsächlich Verantwortung für das Kind übernommen haben (§ 1685 Abs. 2 BGB). Dies gilt auch für unverheiratete Lebenspartner des leiblichen Kindes. Das Gesetz fordert allerdings hierfür das Bestehen einer "sozial-familiären Beziehung".[5] Beim Tod des leiblichen Elternteils besteht nach § 1682 S. 2 BGB die Möglichkeit, eine sog. Verbleibensanordnung zu treffen. Wenn beim Tod des leiblichen Elternteils das elterliche Sorgerecht mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den anderen leiblichen Elternteil übergeht und dieser das Kind wieder zu sich nehmen will, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Kind bei dem Stiefelternteil verbleibt, wenn es längere Zeit mit dem leiblichen und dem Stiefelternteil in einem Haushalt gelebt hat und das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet wird. Dann hat der Stiefelternteil, in dessen Haushalt das Kind nach Erlass dieser Verbleibensanordnung weiterlebt, in allen wichtigen Ange...

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