Rz. 222
Als weiteres "Aufteilungswerkzeug" kann neben dem Vorausvermächtnis und der Teilungsanordnung auch ein sog. Übernahmerecht bestimmt werden. Unter einem Übernahmerecht versteht man die Zuweisung eines bestimmten Nachlassgegenstands an einen Miterben mit der Bestimmung, dass dieser das Recht haben soll, den betreffenden Gegenstand zum Verkehrswert oder zu einem vom Erblasser festgesetzten Übernahmepreis aus dem Nachlass zu entnehmen. Mit der Anordnung eines Übernahmerechts kann der Erblasser die Entscheidung eines Miterben, ob er den für ihn bestimmten Gegenstand erhalten will, dem Bedachten selbst überlassen. Das Übernahmerecht kann grundsätzlich sowohl eine Teilungsanordnung als auch ein Vermächtnis sein. Wird ein Übernahmerecht zugunsten eines Dritten angeordnet, kann es sich hierbei zwangsläufig nur um ein Vermächtnis handeln. Der BGH geht davon aus, dass Schweigen im Testament regelmäßig für einen Wertausgleich spricht, d.h. also für eine Teilungsanordnung. Um jeglichen Zweifel auszuräumen, sollten im Testament diesbezüglich klare Regelungen getroffen werden.
Rz. 223
Handelt es sich beim Übernahmerecht um ein Vorausvermächtnis, wird der Zuwendungsgegenstand unter der aufschiebenden Bedingung vermacht, dass das Übernahmerecht ausgeübt wird. Es wird sich dann um die Anordnung eines Vorausvermächtnisses handeln, sofern seitens des Erblassers ein Begünstigungswille besteht, wobei seitens der Rechtsprechung der Vermögensvorteil in der Wahlmöglichkeit gesehen wird, den Gegenstand anzunehmen oder nicht.
Rz. 224
Von der reinen Teilungsanordnung unterscheidet sich das Übernahmerecht dadurch, dass eine Verpflichtung zur Übernahme nicht besteht, sondern der Miterbe frei hinsichtlich der Übernahme entscheiden kann. Zum Vermächtnis an sich besteht der Unterschied darin, dass der zur Übernahme Berechtigte in der Regel einen Wertausgleich in den Nachlass zu leisten hat, was allerdings nicht zwingend ist.
Rz. 225
Auch ein Übernahmepreis kann bereits festgelegt werden. In diesem Falle ist ggf. an eine Indexierung zu denken bzw. eine dahin gehende Regelung aufzunehmen. Für den Fall, dass der Erbe berechtigt ist, einen Gegenstand zu einem wesentlich günstigeren Preis als den Verkehrswert zu übernehmen, sollte in jedem Falle eine Klarstellung dahin gehend erfolgen, dass derjenige Betrag, der über den gezahlten Betrag hinausgeht, im Wege des Vorausvermächtnisses zugewandt wird.
Rz. 226
Im Übrigen sollte im Testament auch der Zeitpunkt festgelegt werden, bis zu welchem das Übernahmerecht ausgeübt werden kann, da andernfalls die Gefahr besteht, dass die Erfüllung des Vermächtnisses nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangt werden kann.
Rz. 227
Handelt es sich beim Übernahmerecht um eine Teilungsanordnung, kann der Übernehmer die Übertragung des Vermögensgegenstands nur im Rahmen der Gesamtauseinandersetzung verlangen.
Rz. 228
Muster 3.8: Bestimmung eines Übernahmerechts
Muster 3.8: Bestimmung eines Übernahmerechts
Muster: Bestimmung eines Übernahmerechts
Mein Sohn _________________________ (X) erhält im Wege des Vermächtnisses ein Übernahmerecht. Er hat das Recht, das Grundstück _________________________ auf seine Kosten zu Alleineigentum zu übernehmen, wobei er verpflichtet ist, etwaige auf dem Grundbesitz ruhende Grundpfandrechte einschließlich etwaiger zugrunde liegender Verbindlichkeiten dinglich und persönlich zu übernehmen.
Im Falle der Übernahme ist mein Sohn _________________________ (X) verpflichtet, an seinen Bruder _________________________ (Y) einen Betrag in Höhe von 50 % des Verkehrswerts auszuzahlen, wobei etwaige Grundpfandrechte, soweit sie noch valutiert sind, vom Verkehrswert des Objekts in Abzug zu bringen sind.
Zur Ermittlung des Verkehrswerts ist auf Kosten des Nachlasses ein Verkehrswertgutachten für das vorbezeichnete Grundstück einzuholen, und zwar über den örtlichen Gutachterausschuss.
Das Übernahmerecht ist binnen einer Frist von drei Monaten nach Testamentseröffnung durch eingeschriebenen Brief gegenüber meinem Sohn _________________________ (Y) auszuüben.
Bei nicht fristgerechter Ausübung oder bei Verzicht durch meinen Sohn _________________________ (X) gegenüber seinem Bruder _________________________ (Y) erlischt das Übernahmerecht.
Ersatzvermächtnisnehmer in Bezug auf das meinem Sohn _________________________ (X) im Vermächtniswege zugewandte Übernahmerecht werden entgegen jedweder anderslautender auf Gesetz oder Richterrecht beruhender Vermutungs- und Auslegungsregel nicht bestimmt.
Ersatzvermächtnisnehmer von _________________________ (Y), was die Ausgleichszahlung anbelangt, sind dessen leibliche Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge; ersatzweise soll Anwachsung eintreten.