Rz. 127
Neben den Formerfordernissen ist erforderlich, dass der Erblasser den ernstlichen Willen hatte, eine letztwillige Verfügung zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen zu treffen. Der Erblasser muss das errichtete Testament als rechtsverbindlich angesehen haben. Dies muss zweifelsfrei feststehen. Auch wenn die Formerfordernisse erfüllt sind, ist gesondert festzustellen, dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf gehandelt hat. Der ernstliche Wille ergibt sich demgemäß nicht per se aus der Erfüllung der Formerfordernisse. Der Wille des Erblassers ist im Wege der Auslegung unter Heranziehung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände zu beurteilen. Dem Erblasser muss somit bewusst gewesen sein, dass er eine rechtsverbindliche Erklärung abgibt. Liegt eine unterschriebene Urkunde vor, die die Überschrift "Letztwillige Verfügung" trägt, besteht mangels anderweitiger Anhaltspunkte kein Grund, zu prüfen, ob es sich hierbei nur um einen Entwurf handelt. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn eine Bezeichnung wie "Testament" oder "Mein letzter Wille" fehlt, spricht dies nicht gegen eine Auslegung dahin gehend, dass es sich bei dem Schriftstück um ein Testament handelt. Wird das Testament bei anderen wichtigen Dokumenten aufbewahrt, spricht dies für einen Testierwillen. Wird das Testament an einem ungewöhnlichen Ort aufbewahrt, spricht dies im Umkehrschluss nicht gegen das Vorliegen eines Testierwillens.
Rz. 128
Eine häufige Auslegungsfrage besteht darin, festzustellen, ob es sich bei Äußerungen des Erblassers in einem Brief oder einer Vollmacht um eine letztwillige Verfügung handelt, obwohl dieses Schriftstück zwar der Testamentsform entspricht, jedoch nicht als Testament bezeichnet ist. Vom Vorliegen eines Testaments kann nur dann ausgegangen werden, sofern ein ernstlicher Testierwille des Erblassers, an dessen Nachweis die Rechtsprechung strenge Anforderungen stellt, festzustellen ist. Es darf sich nicht lediglich um Vorüberlegungen gehandelt haben. Vielmehr muss beim Erblasser der Wille vorgelegen haben, mit seinen Äußerungen die Rechtsfolgen einer letztwilligen Verfügung zu bewirken. Ein hypothetischer Wille ist nicht ausreichend.
Rz. 129
In folgenden Fällen wurde das Vorhandensein eines Testierwillens ausdrücklich bejaht, obwohl das Schriftstück nicht als Testament bezeichnet war:
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Formulierung "ich möchte vererben"; |
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Formulierung "bestimme ich als Universalerbin". |
Rz. 130
Ein Testierwille wurde jedoch in folgenden Fällen verneint:
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bei einer unter Lebenden erteilten Vollmacht, die keinen Hinweis auf den Todesfall enthielt; |
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bei der mit einer Vollmacht verbundenen Äußerung, der Sohn solle das beim Tod verbleibende Vermögen bekommen, man werde dies "noch vor dem Notar machen"; |
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bei einem Zettel mit dem Inhalt, die anliegenden Unterlagen (deren Inhalt nicht mehr feststellbar war) dem Notar zu geben, "damit der Erbschein für dich ausgestellt werden kann". |