Rz. 3
Jede Bearbeitung eines erbrechtlichen Mandats – ob im gestalterischen oder im prozessualen Bereich – setzt eine genaue Kenntnis des Sachverhalts voraus. Je umfangreicher und genauer die Informationen sind, desto größer sind die Chancen einer erfolgreichen Mandatsführung. Der Anwalt kann seine Rechtskenntnisse und die in der Praxis erlernten Kunstgriffe nur dann anwenden, wenn er die dazugehörige Information hat. Zeichnet es sich im Mandantengespräch ab, dass es nicht bei einem ersten Beratungsgespräch (§ 34 Abs. 1 S. 3 RVG) bleiben wird, dann sollte er sich die nötige Zeit nehmen, um alle nur denkbaren Informationen zu erhalten. Er muss sich daher zu Beginn des Mandats stets fragen, welche Informationen und Unterlagen er benötigt, damit er dem Mandanten dann eine konkrete Gestaltung vorschlagen kann. Man kann sagen, dass die Sachverhaltserfassung gut und gerne ein Drittel des gesamten Zeitaufwandes des Mandats ausmachen kann.
Rz. 4
Die Ermittlung der Ausgangslage, d.h. die Sachverhaltserfassung, wird im Folgenden abgehandelt. Es hat sich durchaus bewährt, bei jedem Mandat checklistenartig folgende Punkte zu erfragen:
1. Personen und Güterstände
Rz. 5
Um sich in jeder Phase der Bearbeitung des Mandats einen schnellen Überblick über die an dem Verfahren beteiligten Personen machen zu können, sollte man sich zunächst bei der Personenerfassung eine Art Familienstammbaum des Mandanten bzw. des Erblassers zeichnen. Weiter ist der Familienstand des Erblassers zu erfassen (ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden). Anhand eines solchen Stammbaums lassen sich schnell die einzelnen Erbenordnungen und somit die Ansprüche der Beteiligten feststellen. Nicht zuletzt heißt es, dass der Stammbaum die Grundlage der Berechnung aller erbrechtlichen Ansprüche ist. Es sollten sowohl die Familienangehörigen als auch sonstige Bedachte aufgeführt werden. Über das Standesamt des Geburtsortes des Erblassers erhält man erforderliche Personenstandsdaten. Die Auskunftsberechtigung ergibt sich aus dem Personenstandsgesetz.
Rz. 6
Im Testament sollten sowohl beim Erblasser als auch bei den bedachten Personen neben dem Namen und Vornamen auch das Geburtsdatum und der derzeitige Wohnsitz angegeben werden. Die Angabe des Wohnsitzes bei den Bedachten ist deshalb von Bedeutung, weil dieser im Erbfall erst ermittelt werden muss, unabhängig davon, ob es sich um den Erben, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten handelt. Der letzte Wohnsitz des Erblassers steht in der Regel fest. Des Weiteren sollte der Berater auch die persönliche Situation der Bedachten ermitteln, beispielsweise, ob diese verheiratet oder verschwenderisch sind, um entsprechende Vorsorge im Testament treffen zu können (z.B. Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbfolge).
Rz. 7
Bestehen im Rahmen der Beratung nach dem Erbfall Unklarheiten über die Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse des Erblassers, wird man zunächst mit den zuständigen Standesämtern Kontakt aufnehmen oder nötigenfalls einen Erbenermittler einschalten.
Rz. 8
Neben der Aufzählung der einzelnen Personen sind auch die Güterstände zu erfassen, da diese aus zivilrechtlicher Sicht erheblichen Einfluss auf die Höhe der Erbquoten des Ehegatten gegenüber Abkömmlingen bzw. anderen Verwandten haben und auch steuerlich zu besonderen "Freibeträgen" im Erbschaftsteuerrecht führen (§ 5 ErbStG). Weiterhin sollte die Staatsangehörigkeit erfragt werden.
Bisher war das internationale Erbkollisionsrecht in den Art. 25, 26 EGBGB geregelt. Gemäß Art. 25 EGBGB unterlag die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Somit ist die Staatsangehörigkeit Anknüpfungspunkt für das Erbstatut. Gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB war eine auf inländisches unbewegliches Vermögen beschränkte Rechtswahl möglich. Für Testamente und andere Verfügungen von Todes wegen galt Art. 26 EGBGB. Die vorgenannten Regelungen gelten nach wie vor für Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind.
Für Erbfälle, die ab dem 17.8.2015 eingetreten sind bzw. eintreten, gilt die EuErbVO. Anknüpfungspunkt für das auf die Erbfolge anwendbare Recht ist gem. Art. 21 EuErbVO der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Dieses Recht gilt sowohl für die Erbfolge, das Pflichtteilsrecht als auch für die Wirkungen einer testamentarischen Verfügung. Desgleichen unterliegt die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, wobei die Regelungen gem. Art. 24, 25 EuErbVO zu beachten sind. Gemäß Art. 22 EuErbVO besteht jedoch die Möglichkeit der Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts des Erblassers. Die Kenntnis der Staatsangehörigkeit ist auch deshalb zu klären, weil das Güterrechtsstatut der Staatsangehörigkeit folgen kann (Art. 14, 15 EGBGB).
Rz. 9
Hier gilt ebenso wie in den folgenden Punkten, dass sich der Berater immer sämtliche Urkunden vorlegen lässt. Sind sich Eheleute nicht im Klaren, in welchem Güterstand sie leben, dann hilft oftmals die Frage weiter, ob man früher bei einem Notar g...