Rz. 272
Aus den §§ 1030 Abs. 1, 1036, 1059, 1061 BGB ergibt sich der Nießbrauch als grundsätzlich unvererbliches und unübertragbares dingliches Recht, eine Sache in Besitz zu nehmen, zu verwalten, zu bewirtschaften und sämtliche Nutzungen, d.h. Früchte (Erträge) und Gebrauchsvorteile, aus ihr zu ziehen, wobei die Pflicht des jeweiligen Eigentümers des belasteten Gegenstands lediglich darin besteht, diese Nutzungen zu dulden. Der Nießbraucher hat die wirtschaftliche Bestimmung des Gegenstands aufrechtzuerhalten. Ihm ist es nicht gestattet, den Gegenstand umzugestalten bzw. wesentlich zu verändern. Berechtigter eines Nießbrauchs kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein. Häufig ist es der Wunsch des Erblassers, einen nahen Verwandten abzusichern, insbesondere dessen Versorgung sicherzustellen. Hier bietet sich die Anordnung eines Nießbrauchsvermächtnisses an.
Zwischen Nießbraucher und Eigentümer wird durch den Nießbrauch ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Von diesem ist das Schuldverhältnis zu unterscheiden, das zwischen dem Vermächtnisnehmer (Nießbrauchsberechtigten) und dem Erben (Besteller des Nießbrauchsrechts) besteht. Das letztgenannte hat die Verpflichtung zur Bestellung des Nießbrauchsrechts zum Inhalt.
Rz. 273
Gemäß § 1059 BGB ist der Nießbrauch nicht übertragbar bzw. erlischt gem. § 1061 BGB mit dem Tod des Nießbrauchers. Dies gilt dann nicht, wenn der Nießbrauch einer juristischen Person zusteht.
Rz. 274
Es ist zu unterscheiden zwischen dem dinglichen Nießbrauchsrecht und dem lediglich schuldrechtlich wirkenden Nießbrauch, bei dem es sich lediglich um ein schuldrechtliches Nutzungsrecht handelt. Es ist in jedem Falle mit dem Erblasser im Vorfeld zu klären, ob es sich um ein schuldrechtliches Nutzungsrecht oder ein beschränkt dingliches Recht handeln soll.
Rz. 275
Der Nießbrauch schließt grundsätzlich Verfügungen über den betreffenden Gegenstand aus. Er ist grundsätzlich möglich an Sachen (§§ 1030–1067 BGB), an Rechten (§§ 1068–1084 BGB), an Vermögen (§§ 1085–1088 BGB) sowie an einer Erbschaft als Sachgesamtheit (§ 1089 BGB). Die Stellung eines Nießbrauchers ist wirtschaftlich gesehen mit der eines nicht befreiten Vorerben zu vergleichen.
Rz. 276
Dem Vermächtnisnehmer kann der Nießbrauch auch lediglich an einem ideellen Bruchteil eines Gegenstands zugewandt werden. Weiter ist die Beschränkung auf eine Quote im Hinblick auf die zu ziehenden Nutzungen möglich (z.B. der Vermächtnisnehmer erhält 2/5 der Nutzungen, dem Erben verbleiben 3/5).
Rz. 277
Bei größeren Erbengemeinschaften besteht häufig das Problem, dass sich einzelne Erben weigern, die notwendige Einigungserklärung gem. § 873 BGB sowie die erforderlichen Grundbucherklärungen abzugeben. Um dies auszuschließen, kann der Erblasser die erforderlichen Erklärungen bereits in seiner letztwilligen Verfügung abgeben. In diesem Falle ist die letztwillige Verfügung notariell zu beurkunden. Es ist nicht erforderlich, dass die Einigungserklärungen beider Teile gleichzeitig abgegeben werden. Die dingliche Einigungserklärung des Vermächtnisnehmers kann von diesem auch noch später, nämlich nach Eintritt des Erbfalls, abgegeben werden. Sofern die Formalien gem. § 873 Abs. 2 BGB erfüllt sind, bleiben die Erben an die vom Erblasser abgegebene Einigungserklärung gebunden.
Rz. 278
Muster 3.12: Nießbrauch – Einigungserklärung, Grundbucherklärung
Muster 3.12: Nießbrauch – Einigungserklärung, Grundbucherklärung
Muster: Nießbrauch – Einigungserklärung, Grundbucherklärung
Meiner Lebensgefährtin wende ich hiermit den lebtäglichen unentgeltlichen Nießbrauch an meiner Immobilie _________________________ zu. Die gem. § 873 BGB erforderliche dingliche Einigungserklärung gebe ich hiermit ab. Desgleichen wird die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch hiermit durch mich bewilligt (§ 873 Abs. 2 BGB, § 19 GBO).
Rz. 279
Weiterhin ist es zur Sicherung des Erfüllungsanspruchs denkbar, dass dem Vermächtnisnehmer eine postmortale Vollmacht erteilt wird. Eine Bevollmächtigung kann auch in einer Urkunde enthalten sein, die im Übrigen nur eine letztwillige Verfügung enthält. Gemäß § 130 Abs. 1 BGB handelt es sich bei der Vollmacht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Es ist aber aufgrund der Vorschriften über die Eröffnung letztwilliger Verfügungen von Todes wegen bzw. die Benachrichtigung der Beteiligten sichergestellt, dass der Bevollmächtigte Kenntnis gem. § 130 Abs. 2 BGB erlangt. Es ist ausdrücklich zu empfehlen, einen Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit durch die Erben mit aufzunehmen.
Rz. 280
Zur Sicherung des Erfüllungsanspruchs kommt auch die Ernennung des Vermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker in Betracht. Dieser hat als einzige Aufgabe, das Nießbrauchsvermächtnis zu erfüllen.
Rz. 281
In der Regel ist beim Grundbuchamt die Vorlage einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde erforderlich (§ 29 GBO). Das Nachlassgericht erteilt jedoch nur eine beglaubigte Abschrift der Verfügung von Todes wegen sowie des Eröffnungsprotokoll...