Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 232
Die Trennung führt nicht zwingend zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung für den getrennt lebenden Ehegatten. Vielmehr ist der getrennt lebende Ehegatte grds. in der gesetzlichen Krankenversicherung des Ehepartners bis zur Rechtskraft der Scheidung mitversichert (§ 10 SGB V).
Rz. 233
Nach § 10 Abs. 1 Abs. 1 SGB V sind in der Familienversicherung beitragsfrei (§ 3 Satz 3 SGB V) versichert der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern, sofern diese Familienangehörigen
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ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, |
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nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3–8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, |
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nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht, |
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nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind und |
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kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgrenze nach § 18 SGB IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 450 EUR. |
Rz. 234
Praxistipp:
Zwecks Vermeidung von Haftungsrisiken sollte die Frage der Krankenversicherung in der familienrechtlichen Beratung eingehend erörtert werden. Der Mandant ist über die bei Trennung und Scheidung eintretenden Veränderungen nachweisbar aufzuklären.
Rz. 235
Die Familienversicherung eines getrennt lebenden Ehegatten endet aber bereits während der Trennungszeit, wenn das Gesamteinkommen (§ 16 SGB V) der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts nach § 2 Abs. 2 EStG, d.h. das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) und das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) 450 EUR bzw. ohne Minijob gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 HS. 1 SGB V 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach§ 18 SGB IV überschreitet.
Die Bezugsgröße nach § 18 SGB IV beträgt:
Jahr |
Alte Bundesländer |
Neue Bundesländer + Ost-Berlin |
monatlich |
jährlich |
monatlich |
jährlich |
2022 |
3.290 EUR |
39.480 EUR |
3.150 EUR |
37.800 EUR |
2021 |
3.290 EUR |
39.480 EUR |
3.115 EUR |
37.380 EUR |
2020 |
3.185 EUR |
38.220 EUR |
3.010 EUR |
36.120 EUR |
2019 |
3.115 EUR |
37.380 EUR |
2.870 EUR |
34.440 EUR |
2018 |
3.045 Euro |
36.540 Euro |
2.695 Euro |
32.340 Euro |
2017 |
2.975 EUR |
35.700 EUR |
2.660 EUR |
31.920 EUR |
Praxistipp:
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Nimmt also z.B. die getrennt lebende Ehefrau nach der Trennung eine Erwerbstätigkeit an, so kann dies bei Überschreiten der gesetzlichen Einkommensgrenze zu – nicht unbeträchtlichen – Mehraufwendungen für die Krankenversicherung führen. |
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Können die Beiträge nicht gezahlt werden, kann der erforderliche Mehrbedarf nach § 1361 BGB geltend gemacht werden. |
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In den fortwirkenden Mehrkosten kann auch ein ehebedingter Nachteil i.S.d. § 1578b BGB liegen. |
Rz. 236
Unterhaltsleistungen während der Trennungszeit sind zwar grundsätzlich steuerlich und sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich. Macht der unterhaltspflichtige Ehegatte im auf die Trennung folgenden Kalenderjahr von der Möglichkeit Gebrauch, seine Unterhaltszahlungen im Wege des begrenzten Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Abzug zu bringen (dazu siehe § 14 Rdn 89 ff.), ist der gezahlte Unterhalt als anzurechnendes Einkommen mitzuberücksichtigen, also einem evtl. Eigeneinkommen zuzuschlagen. Dann gehören die Unterhaltsleistungen beim Berechtigten zum einkommenssteuerpflichtigen Einkommen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.
Endet während des Getrenntlebens die Familienversicherung gem. § 10 SGB V aus einem anderen Grund – weil sich z.B. der Unterhaltspflichtige selbstständig macht –, so muss er den Unterhaltsberechtigten davon in Kenntnis setzen, andernfalls macht er sich schadensersatzpflichtig.
Rz. 237
Praxistipp:
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Wird die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V überschritten, endet die Familienversicherung von Gesetzes wegen und durch die Neuregelung des § 188 Abs. 4 SGB V entsteht eine freiwillige Versicherung mit Beitragspflicht. |
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Können die Beiträge nicht gezahlt werden, kann der erforderliche Mehrbedarf nach § 1361 BGB geltend gemacht werden. Ansonsten bleibt nur die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II, In diesem Fall wird ein Versicherter nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. |
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Sind all diese Möglichkeiten nicht gegeben, kommt es zum Ruhen der Leistungsansprüche (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Bis dahin können jedoch bereits (erhebliche) Beitragspflichten (Rückstände!) entstanden sein. |