Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 162
Im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten stellen sich bei der Trennung folgende Fragen:
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kann Erstattung für Zahlungen verlangt werden, die noch nach der Trennung geleistet werden? |
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kann beim anderen Ehegatten Rückgriff genommen werden, wenn der Ehegatte vom Gläubiger in Anspruch genommen wird? |
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besteht ein Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Befreiung von der Mithaftung im Außenverhältnis? |
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welche Auswirkungen hat das Bestehen der gesamtschuldnerischen Haftung für den Schuldenausgleich? |
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ist ein gesonderter Schuldenausgleich neben dem Ausgleich über den Zugewinn möglich und sinnvoll? |
Nach § 426 BGB haften Gesamtschuldner nach gleichen Anteilen, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Ist keine anderweitige Bestimmung feststellbar, kommt die gesetzliche Grundregel zur Anwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für eine von dieser gesetzlichen Grundregel abweichenden Situation hat derjenige Ehegatte, der sich darauf beruft.
Eine solche anderweitige Bestimmung kann sich ergeben
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aus dem Gesetz (wie z.B. aus § 748 BGB), |
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aus einer Vereinbarung, |
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aus Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder |
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aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens. |
Rz. 163
Während der intakten Ehe haben die Ehegatten regelmäßig eine bestimmte interne Verteilung der Haftung – zumindest stillschweigend – festgelegt. Dies geschieht i.d.R. dadurch, dass ein Ehegatte die Schuldverpflichtungen bediente, ohne dass hierfür ein interner Ausgleich geflossen ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert damit die Regelungen der Gesamtschuld.
Rz. 164
Ist ein Darlehen für ein den Eheleuten gemeinsam gehörendes Hausgrundstück oder Wohnungseigentum aufgenommen worden, lässt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Bruchteilsgemeinschaft, insbesondere den §§ 748, 755 BGB, der Grundsatz ableiten, dass die Teilhaber für Verbindlichkeiten, die sie in Bezug auf den gemeinschaftlichen Gegenstand eingegangen sind, im Innenverhältnis nach dem Verhältnis ihrer Anteile an dem Gegenstand haften, wenn sich nicht aus einer Vereinbarung oder besonderen Umständen des Falls etwas anderes ergibt.
Die Miteigentumsgemeinschaft und die anteilige Haftung können allerdings während des Zusammenlebens in der Ehe im Innenverhältnis überlagert sein von einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Handhabung der Ehegatten. Erzielen beide Ehegatten Einkünfte, so entspricht es den ehelichen Lebensverhältnissen mehr, dass beide entsprechend ihren jeweiligen Einkommen für die Schulden mithaften.
Rz. 165
Nach dem Scheitern der Ehe, das sich in der Trennung der Ehegatten manifestiert, entfallen die Umstände, aus denen man einen vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Verteilungsmaßstab entnehmen konnte. Der Grund für die frühere Handhabung ist damit entfallen. Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht im Allgemeinen kein Anlass mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen, weil das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem die beiderseitigen Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung gestanden haben, aufgehoben ist. Daher besteht jetzt für einen Ehegatten grds. kein Anlass mehr, an der früheren Übung festzuhalten. Mit dem Scheitern der Ehe ist folglich von einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse auszugehen, sodass ggf. die gesetzliche Regelung wieder eingreift.
Rz. 166
Mit dem Scheitern der Ehe haben sich also die für die jeweiligen Leistungen maßgeblichen Umstände aber geändert; der Grund für die frühere Handhabung ist damit entfallen. Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht im Allgemeinen kein Anlass mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen, weil das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem die beiderseitigen Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung gestanden haben, aufgehoben ist
Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls kann auch davon auszugehen sein, dass die Handhabung, welche die Eheleute während intakter Ehe gewählt haben, nach der Trennung zunächst fortgelten soll. Dies hat zur Folge, dass derjenige Ehegatte, welcher den Hauskredit bei der Bank schon zuvor allein bedient hatte, diesen weiter zahlt, ohne einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu haben.
Rz. 167
BGH v. 6.11.2019 – XII ZB 311/18
Zitat
1. Geht ein Ehegatte vor Eheschließung zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie durch den anderen Ehegatten neben diesem eine gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtung ein, so ist bei Bewertung der Verbindlichkeit auch im Anfangsvermögen im Zweifel davon auszugehen, dass diese im Innenverhältnis allein vom Eigentümer des Grundstücks zu tragen ist.
2. Im Anfangs- und Endvermögen des Eigentümers sind in diesem Fall zum jeweiligen Stichtag einheitlich der Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten einzustellen.
3. Die familienrechtliche Überlagerung ...