Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 151
Auch ist das Risiko eines verfrühten – also vor Ablauf des Trennungsjahres gestellten – Scheidungsantrags zu bedenken.
Rz. 152
Scheidungsanträge, die bereits vor Ablauf des Trennungsjahres eingeleitet werden, sind unzulässig (soweit nicht die Voraussetzungen eines Härtefalles vorliegen). Wird der Antrag in erster Instanz abgewiesen, kann dieser Antrag auch in der Beschwerdeinstanz nicht bestätigt werden, wenn dann das Trennungsjahr abgelaufen ist, wenn der Fortbestand der an die Zustellung geknüpften Stichtage (Zugewinn, Versorgungsausgleich) nachteilige Auswirkungen auf die Ansprüche des Antragsgegners haben würde.
Praxistipp:
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Läuft das Trennungsjahr also erst ab, wenn das Verfahren in der Beschwerdeinstanz anhängig ist, wird die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und dem Rechtsmittelführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. |
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Die Zurückverweisung der Scheidungssache an das Familiengericht zieht den Wiedereintritt des Scheidungsverbundes nach §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG sowie den Neubeginn der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG nach sich. |
Auch Verfahrenskostenhilfe ist daher erst nach Ablauf des Trennungsjahres zu bewilligen. Denn für einen derzeit noch nicht schlüssigen Antrag kann keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden. Eine – für die Bewilligung von VKH erforderliche – hinreichende Erfolgsaussicht darf erst dann angenommen werden, wenn die vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnete Jahresfrist bereits tatsächlich abgelaufen ist.
Praxistipp:
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Aus praktischer Sicht ist jedenfalls dann von einem Antrag auf Härtefallscheidung abzuraten, wenn die Gegenseite den Härtefall bestreitet. |
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Die Beweisaufnahme über Härtegründe ist meist zeitaufwändig und wenig Erfolg versprechend. Wird der Antrag in erster Instanz abgewiesen, kann dieser Antrag auch in der Beschwerdeinstanz nicht bestätigt werden, wenn dann das Trennungsjahr abgelaufen ist, jedoch der Fortbestand der an die Zustellung geknüpften Stichtage (Zugewinn, Versorgungsausgleich) nachteilige Auswirkungen auf die Ansprüche des Antragsgegners haben würde. Das Verfahren wird also zurückverwiesen. |
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Zu bedenken ist, dass auch bei einer Zurückverweisung der Anfang der Ehezeit, der durch die Zustellung des verfrüht eingereichten Scheidungsantrags bestimmt worden ist, bestehen bleibt. |
BGH, Beschl. v. 16.8.2017 – XII ZB 21/17
Zitat
Die Berücksichtigung von Nachteilen, die einem Ehegatten aus einer verfrühten Scheidungsantragstellung erwachsen, kann im Versorgungsausgleich allenfalls nach § 27 VersAusglG erfolgen.