Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfahrenskostenhilfe für verfrühten Scheidungsantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit ein Scheidungsantrag nicht auf den Scheidungsgrund der besonderen Härte nach § 1565 Abs. 2 BGB gestützt und vor Ablauf des Trennungsjahres eingereicht wird, ist dieser verfrüht gestellte Scheidungsantrag bis zum Ablauf des Trennungsjahres unschlüssig.
2. Eine dafür beantragte Verfahrenskostenhilfe ist wegen fehlender Erfolgsaussicht zu versagen.
3. Ein erst zukünftiger Sach- und Streitstand ist nicht maßgeblich, weil dessen Eintritt ungewiss ist und gegebenenfalls nicht mit den tatsächlichen Darstellungen im Antragsbegehren übereinstimmt, wofür Verfahrenskostenhilfe beantragt wird.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1; ZPO § 114 ff.
Verfahrensgang
AG Bayreuth (Aktenzeichen 003 F 507/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bayreuth vom 17.06.2019 (3 F 507/19) wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit am 21.05.2019 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 17.05.2019 hat die Antragstellerin Ehescheidungsantrag gestellt. Sie hat diesen darauf gestützt, dass sie vom Antragsgegner seit 15.07.2018 getrennt lebt, letzterer dem Scheidungsantrag voraussichtlich zustimmen oder seinerseits Scheidungsantrag stellen wird und daher die Ehe gem. §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB zu scheiden sein wird. Das Scheitern der Ehe sei unwiderlegbar zu vermuten. Mit am 22.05.2019 beim Amtsgericht eingegangenem weiteren Anwaltsschriftsatz vom 21.05.2019 hat die Antragstellerin für diesen Scheidungsantrag die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragt.
Mit Verfügung vom 04.06.2019 hat das Amtsgericht die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass der Verfahrenskostenhilfeantrag abzuweisen sei, weil der Scheidungsantrag keine Erfolgsaussicht habe. Das Trennungsjahr laufe erst mit Ende des 15.07.2019 ab. Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten. Die Einreichung von Scheidungsanträgen und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zwei bis drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres in Verfahren, in denen der Versorgungsausgleich durchgeführt wird, entspreche der langjährigen Handhabung des angerufenen Gerichts.
Mit Beschluss vom 17.06.2019 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht sei auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe abzustellen. Derzeit liege kein schlüssiger Antrag vor. Das Trennungsjahr sei nicht abgelaufen und Gründe für eine Härtefallscheidung seien nicht dargelegt.
Der Beschluss vom 17.06.2019 wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 21.06.2019 zugestellt. Mit am 25.06.2019 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschreiben vom 24.06.2019 hat die Antragstellerin hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass für die Entscheidung über ihren Verfahrenskostenhilfeantrag darauf abzustellen sei, dass bei Beantragung eines Scheidungstermins das Trennungsjahr vorliegend abgelaufen sein werde.
Das Amtsgericht hat das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde ausgelegt und dieser nicht abgeholfen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zurückzuweisen, da das Amtsgericht zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für ihren Scheidungsantrag vom 17.05.2019 abgelehnt hat.
Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag durch das Gericht abzustellen. Für das sofortige Beschwerdeverfahren im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren kommt es somit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts an. Ein erst zukünftiger Sach- und Streitstand ist nicht maßgeblich, weil dessen Eintritt ungewiss ist und - so vorliegend - gegebenenfalls nicht mit den tatsächlichen Darstellungen im Antragsbegehren übereinstimmt, wofür Verfahrenskostenhilfe beantragt wird (vgl. z. B. Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Kintzel, 11. Aufl. 2018, Kap. 16 Rn. 37 m. w. N.). Eine Ausnahme hiervon ist nur zu machen, wenn die VKH-Bewilligungsentscheidung - z. B. aufgrund gerichtsinterner Verzögerung - erst nach entsprechender Entscheidungsreife über das VKH-Bewilligungsgesuch ergeht. Dann ist auf den früheren Zeitpunkt der Entscheidungsreife abzustellen. Ausnahmsweise können auch bindende Umstände nachträglich eintreten (vgl. dazu etwa BGH FamRZ 2012, 964; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Kintzel a. a. O., Rn. 37f. und 44 je m.w.N.; Bartels in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 76 FamFG Rn. 7 m. w. N.).
Vorliegend hat das Amtsgericht bei Entscheidungsreife die Verfahrenskostenhilfe versagt. Damit ist darauf abzustellen, ob bei Entscheidung des Amtsgerichts oder spätestens derzeit eine Aussicht auf Erfolg hinsichtlich des Scheidungsbegehrens der Antragstellerin i. S. d. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO gegeben war bzw. ist. ...