Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 198
Der Ehegatte, der dem anderen die Wohnung überlassen muss, kann nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB eine Nutzungsentschädigung in der Trennungszeit verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Es erfolgt keine Zuerkennung von Amts wegen, es ist ein Antrag erforderlich. Insoweit unterscheidet sich diese Regelung von § 1361a Abs. 3 Satz 2 BGB über die Hausratsteilung und der Vergütungspflicht.
Die Höhe der Vergütung wird sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete einer entsprechenden Wohnung orientieren. Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt nicht davon ab, auf welchem Recht die gemeinsame Nutzungsbefugnis beruht.
Rz. 199
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.7.2021 – 2 UF 61/21, juris
Zitat
Die Höhe der nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB festzusetzenden Nutzungsvergütung bemisst sich nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten. Neben dem objektiven Mietwert haben folgende Einzelfallaspekte Einfluss auf die Anspruchshöhe:
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Lauf des Trennungsjahres |
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Betreuung und Versorgung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes ohne Regelung des Kindesunterhaltes |
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Zusammenleben mit einem gemeinsamen volljährigen Kind |
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Beitrag des bleibenden Ehegatten am Hausbau (auf fremdem Grundstück) |
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Geschäftliche Verflechtungen der Eheleute (hier: bewusste Geringhaltung des Einkommens, um die Vollstreckung durch Altgläubiger zu vermeiden). |
OLG Brandenburg v. 23.6.2020 – 15 UF 15/20, juris
Zitat
1. Demjenigen Ehegatten, der nach endgültiger Trennung aus der im Eigentum beider Ehegatten stehenden Immobilie ausgezogen ist, kann ein Zahlungsanspruch gem. § 745 Abs. 2 BGB gegenüber dem anderen, die Immobilie allein nutzenden Ehegatten, zustehen, weil nach Scheitern der Ehe eine Fortsetzung der kostenlosen Nutzung des Miteigentums durch den allein nutzenden Ehegatten dem anderen nicht mehr zuzumuten ist.
2. Ein Ehegatte ist gehindert, eine Neuregelung i.S.v. § 745 Abs. 2 BGB zu verlangen und einen hierauf gestützten Zahlungsanspruch geltend zu machen, solange die Ehe nicht rechtskräftig geschieden ist. Bis zur Ehescheidung verdrängt die Vergütungsregelung des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB als speziellere Regelung den Anspruch aus § 745 Abs. 2 BGB.
3. Für die Wirksamkeit des Neuregelungsverlangens kommt es nicht darauf an, dass der bislang allein nutzende Teilhaber vor die Alternative "Zahlung oder Auszug" gestellt wird. Es genügt, wenn der die Immobilie allein nutzende Ehegatte, der hierfür entweder aufgrund einer Vereinbarung oder aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts für die Trennungszeit zur Zahlung einer Nutzungsvergütung an den anderen Ehegatten verpflichtet war, nach Rechtskraft der Ehescheidung aufgefordert wird, die bisherige Regelung der Benutzung und Verwaltung fortzusetzen.
4. Für die Bemessung der Nutzungsentschädigung kommt es auf die Art und den Umfang der tatsächlichen Nutzung nicht an, sondern ausschließlich auf die durch die tatsächliche Sachherrschaft vermittelte Nutzungsmöglichkeit. Eine Ausnahme kann allenfalls für die Trennungszeit oder etwa dann gelten, wenn bestimmte Bereiche der Wohnung aus objektiven Gründen (z.B. wegen Unbewohnbarkeit) nicht genutzt werden können und diese Gründe nicht bereits bei der Mietwertermittlung Berücksichtigung gefunden haben, oder auch, wenn die Nutzung eines Teiles der Wohnung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich und die Aufgabe der Alleinnutzung nicht zumutbar ist.