Rz. 43
Es gibt beim Ehegattenunterhalt – anders als beim Kindesunterhalt – keinen Mindestbedarf im Sinne eines Mindestunterhalts; auch nicht bei schlechten finanziellen Verhältnissen. D.h. es gibt keinen Mindestbedarf im Sinne eines Bedarfs, den der andere Ehegatte auf alle Fälle – erforderlichenfalls durch besondere Anstrengungen – befriedigen bzw. sicherstellen müsste.
Rz. 44
Der Bedarf bestimmt sich nach den ehelichen Verhältnissen – soweit nicht beim nachehelichen Unterhalt eine Herabsetzung (bis) auf den "angemessenen Bedarf" (siehe die Fälle 58 bis 62, § 20 Rdn 1 ff.) geboten ist.
Soweit in manchen Bereichen doch mit einem "Mindestbedarf" gerechnet bzw. argumentiert wird (vgl. in den Leitlinien z.B. Nr. 15.1: 960 EUR; Nr. 22.1: 1.024 EUR; Nr. 22.2: 1.120 EUR), ist dies anderen Umständen geschuldet. Der Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums (960 EUR) kann ohne Darlegung des Einkommens des Unterhaltsschuldners geltend gemacht werden. Dem Unterhaltsschuldner obliegt es dann, bezüglich des aus dem Mindestbedarf abgeleiteten Unterhalts (Mindestbedarf abzüglich Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten) seine Leistungsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen. Dieser Mindestbedarf hat auch Bedeutung bei konkurrierenden Partnerunterhaltsansprüchen, und zwar für den nachrangigen Ehegatten. Darüber hinaus hat er z.B. auch Bedeutung bei der Bestimmung einer Untergrenze für eine Beschränkung nach § 1579. Vom Mindestbedarf i.S.d. Existenzminimums ist der Mindestbedarf i.S.d. Eigenbedarfssätze (Nr. 22 und Nr. 23 der Leitlinien) zu unterscheiden. Diese Bedarfssätze sind z.B. bei Mangelfallberechnungen, bei konkurrierenden Partnerunterhaltsansprüchen und bei der Wechselwirkung zwischen Ehegattenunterhalt und Volljährigenunterhalt von Bedeutung.
BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08
Die Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mindestbedarf sprechen, gelten in gleicher Weise auch für den gesamten Ehegattenunterhalt. Auch insoweit kann der Bedarf das Existenzminimum nicht unterschreiten. Soweit der Senat darauf abgestellt hat, dass ein pauschalierter Mindestbedarf den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden individuellen Bedarf nicht übersteigen dürfe (BGH, Urt. v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, FamRZ 1997, 806), ist zu berücksichtigen, dass die Ehegatten auch in ihrer Ehezeit jedenfalls einen Mindestlebensstandard in Höhe des Existenzminimums hatten.
Rz. 45
Der Mindestbedarf darf aber, wie schon ausgeführt, nicht als "Mindestunterhalt" verstanden werden.
Beispiel
M verdient 1.400 EUR. F ist nicht erwerbstätig. Es kommt zur Trennung. M ist aufgrund des Selbstbehalts von 1.280 EUR nur in Höhe von 120 EUR leistungsfähig. Könnte M im Rahmen einer anderen Tätigkeit, die ihm aber zu anstrengend ist, mehr oder gar 2.240 EUR verdienen, so obliegt ihm die Aufnahme einer solchen Tätigkeit nicht, obwohl es ihm dadurch möglich wäre, den "Mindestbedarf" von F in einem größeren Umfang oder gar ganz zu decken.