aa) Überblick
Rz. 80
Der nicht im Gerichtsbezirk niedergelassene und auch dort nicht wohnende auswärtige Anwalt darf nach dem Gesetzeswortlaut nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Das wiederum ist der Fall, wenn
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dem Mandanten auch ein Verkehrsanwalt und/oder ein Beweisanwalt zugestanden hätte (siehe Rdn 83) |
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wenn die höchstmöglichen Reisekosten eines noch im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts nicht geringer sind (siehe Rdn 93) |
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wenn der auswärtige Anwalt nur eingeschränkt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet wird (siehe Rdn 94). |
Rz. 81
Die Rspr. geht insoweit zum Teil davon aus, dass ein nicht im Bezirk des Gerichts niedergelassener Rechtsanwalt mit dem Beiordnungsantrag stillschweigend sein Einverständnis zur Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts erteile. Das dürfte unzutreffend sein. Der Anwalt sollte daher klarstellen, dass seine Partei die uneingeschränkte Beiordnung beantragt und mit einer eingeschränkten Beiordnung nicht einverstanden ist.
bb) Uneingeschränkte Beiordnung
Rz. 82
Die Frage, ob eine Einschränkung der Beiordnung hätte vorgenommen werden müssen, spielt dann keine Rolle, wenn uneingeschränkt beigeordnet worden ist. In diesem Fall ist die uneingeschränkte Beiordnung für das Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts auch dann bindend, wenn der Anwalt nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts hätte beigeordnet werden dürfen. Der Anwalt erhält daher in diesem Fall seine gesamten Reisekosten aus der Landeskasse. Eine zu Unrecht erfolgte uneingeschränkte Beiordnung kann weder durch einen einschränkenden Beschluss des Richters noch durch eine Absetzung der Reisekosten durch den Urkundsbeamten korrigiert werden.
cc) Anspruch auf Verkehrsanwalt oder Beweisanwalt
Rz. 83
Ein Anspruch auf uneingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts besteht dann, wenn die bedürftige Partei einen Anspruch auf Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO hat und die zu erwartenden Reisekosten die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht übersteigen.
Rz. 84
Gleiches gilt, wenn die bedürftige Partei einen Anspruch auf die zusätzliche Beiordnung eines Beweisanwalts hätte. Diese Variante hat in der Praxis allerdings keine Bedeutung, sodass hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Soweit ein solcher Fall auftreten sollte, gilt das Gleiche wie beim Verkehrsanwalt.
Rz. 85
In diesen Fällen handelt es sich bei den Reisekosten nicht mehr um "weitere Kosten" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO, also um nicht um Mehrkosten, weil durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts die Kosten eines zusätzlichen Verkehrsanwalts erspart werden, der dann selbstverständlich nicht mehr beigeordnet werden kann, ebenso wenig wie ein Terminsvertreter.
Beispiel 37: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung, ein Termin)
Der Beklagte wird vor dem LG Köln auf Zahlung von 10.000,00 EUR verklagt. Er beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Hannoveraner Prozessbevollmächtigten.
Durch die Beiordnung eines Hannoveraner Prozessbevollmächtigten würden zwar Reisekosten entstehen, da dieser Anwalt von Hannover nach Köln (Entfernung: 295 km) zum Termin reisen müsste; dabei würde es sich jedoch nicht um Mehrkosten handeln.
… |
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, |
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247,80 EUR |
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2 × 295 km × 0,42 EUR/km |
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... |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
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80,00 EUR |
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Zwischensumme |
327,00 EUR |
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Hätte der Beklagte einen Prozessbevollmächtigten in Köln beauftragt, so hätte ihm nach § 121 Abs. 4 ZPO zusätzlich ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt in Hannover zugestanden. Dafür wären angefallen:
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV, § 49 RVG |
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339,00 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
359,00 EUR |
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Diese Verkehrsanwaltskosten werden jetzt aber dadurch erspart, dass der Prozessbevollmächtigte selbst zum Termin anreist. Folglich sind die Reisekosten in Höhe der ersparten Aufwendungen keine "Mehrkosten". Der Hannoveraner Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden.
Rz. 86
Umstritten ist, ob eine Beschränkung dahingehend zulässig ist, dass die Reisekosten nur bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen werden. Die Praxis verfährt überwiegend so, allerdings zu Unrecht. Das Gesetz sieht eine solche Einschränkung jedoch nicht vor. Damit wird das Prognoserisiko, dass die Reisekosten letztlich höher ausfallen als veranschlagt, unzulässiger Weise auf die bedürftige Partei verlagert.
Beispiel 38: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung, mehrere Termine)