1. Überblick
Rz. 107
Hat der Anwalt Vorschüsse, Zahlungen oder Zahlungen auf anzurechnende Gebühren vor oder nach seiner Beiordnung erhalten, so sind diese auf die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen. Allerdings wird zunächst auf denjenigen Teil der Vergütung angerechnet, für den ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht (§ 58 Abs. 2 RVG).
2. Anrechnung von Zahlungen und Vorschüssen
Rz. 108
Soweit der Mandant Vorschüsse geleistet oder Zahlungen erbracht hat für anwaltliche Tätigkeiten, für die der Anwalt später beigeordnet wird, sind diese Zahlungen auf die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen. Verrechnet wird allerdings zunächst auf denjenigen Teil der Wahlanwaltsvergütung, für den ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht (§ 58 Abs. 2 RVG). Gleiches gilt für nachträgliche Zahlungen.
Beispiel 47: Anrechnung eines Vorschusses, Zahlung übersteigt Differenz nicht
Der Anwalt ist in einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR beigeordnet worden und hatte zuvor von der Partei einen Vorschuss in Höhe von 500,00 EUR erhalten.
Der Vorschuss ist nach § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung anzurechnen. Nur der danach verbleibende Restbetrag ist auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen.
Die Wahlanwaltsvergütung berechnet sich nach den Beträgen des § 13 RVG wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 13 RVG |
|
798,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 13 RVG |
|
736,80 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
295,45 EUR |
|
Gesamt |
|
1.850,45 EUR |
Die PKH-Vergütung berechnet sich nach den Beträgen des § 49 RVG wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
440,70 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
406,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
867,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
164,83 EUR |
Gesamt |
|
1.032,33 EUR |
Die nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung beläuft sich somit auf (1.850,45 EUR – 1.032,33 EUR =) 818,12 EUR. Darauf wird der Vorschuss verrechnet, sodass auf die PKH-Vergütung nichts anzurechnen ist.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
440,70 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
406,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
4. |
Vorschuss |
– 500,00 EUR |
|
|
davon anrechnungsfrei (1.850,45 EUR – 1.032,33 EUR =) |
818,12 EUR |
|
|
|
|
0,00 EUR |
|
Zwischensumme |
867,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
164,83 EUR |
Gesamt |
|
1.032,33 EUR |
Rz. 109
Beispiel 48: Anrechnung eines Vorschusses, Zahlung übersteigt Differenz
Wie vorangegangenes Beispiel 47; die Partei hatte einen Vorschuss in Höhe von 1.000,00 EUR gezahlt.
Jetzt hat der Anwalt mehr als die nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung in Höhe von 818,12 EUR erhalten. Darauf wird der Vorschuss zunächst verrechnet. Es verbleiben dann noch 181,88 EUR, die anzurechnen sind.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
440,70 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
406,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
4. |
Vorschuss |
– 1.000,00 EUR |
|
|
davon anrechnungsfrei (1.850,45 EUR – 1.032,33 EUR =) |
818,12 EUR |
|
|
|
|
– 181,88 EUR |
|
Zwischensumme |
685,62 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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130,27 EUR |
Gesamt |
|
815,89 EUR |
3. Anrechnung anzurechnender Beträge
Rz. 110
Hat die bedürftige Partei, der ein Anwalt im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden ist, zwar keine unmittelbaren Zahlungen auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung erhalten, aber Zahlungen auf eine zuvor entstandene und anzurechnende Gebühr – insbesondere auf eine nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnende Geschäftsgebühr –, richtet sich die Rechtslage nach der zum 1.1.2021 neu eingeführten Regelung des § 58 Abs. 2 S. 2 RVG. Danach bleibt die Differenz einer Verfahrensgebühr nach dem Gebührenbetrag aus § 13 RVG zu dem aus § 49 RVG anrechnungsfrei.
Rz. 111
Aufgrund des Gleichlaufs der Gebührenbeträge des § 13 RVG und des § 49 RVG ergibt sich bei Werten bis 4.000,00 EUR keine anrechnungsfreie Differenz. Hier ist voll anzurechnen.
Beispiel 49: Anrechnung eines Vorschusses, Gegenstandswert bis 4.000 EUR
Der Anwalt war außergerichtlich nach einem Gegenstandswert von 4.000,00 EUR für den Mandanten als Wahlanwalt tätig. Hiernach kommt es zum Rechtsstreit, in dem der Anwalt seinem Mandanten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet wird. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil. Vorgerichtlich hatte der Anwalt mit dem Mandanten wie folgt abgerechnet:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
361,40 EUR |
|
(Wert 4.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
381,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
72,47 EUR |
Gesamt |
|
453,87 EUR |