Prof. Dr. Wolfgang Reimann
Rz. 41
Konstituierung: Zuschläge zum Vergütungsgrundbetrag sind bei der Abwicklungsvollstreckung für die Konstituierung des Nachlasses zu erheben. Unter Konstituierung fasst man alles zusammen, was dem Ermitteln, dem Sichern und der Inbesitznahme des Nachlasses dient, z.B. das Erstellen des Nachlassverzeichnisses, die Bewertung des Nachlasses, das Regulieren der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Erbschaftsteuer. Ein Konstituierungszuschlag kann naturgemäß dort nicht erhoben werden, wo der Testamentsvollstrecker in der Lage ist, den Nachlass einfach "in Empfang zu nehmen" (einige wenige Kontoauszüge etc.). Die DNotV-Empfehlungen geben einen Zuschlag von 2/10 bis 10/10 vor.
Rz. 42
Wenn der Testamentsvollstrecker vor dem Erbfall bereits für den Erblasser beratend tätig war und an dessen estate planning mitgewirkt hat, also den Nachlass in seiner Zusammensetzung kennt und die Konstituierung bereits durchgeführt ist, ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, den vollen Konstituierungszuschlag zu erheben, ggf. ist auch darauf völlig zu verzichten, da eine Tätigkeit nicht doppelt vergütet werden kann; die Konstituierung erfolgte dann vor dem Erbfall und ist danach nur noch zu überprüfen und ggf. anzupassen. Entsprechendes gilt, wenn der Testamentsvollstrecker – etwa in seiner Funktion als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer des Erblassers – aufgrund seiner Vorkenntnisse die für die Konstituierung typische, besonders arbeitsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit nicht mehr leisten muss.
Rz. 43
Entsprechendes gilt, wenn der Testamentsvollstrecker beim Erbfall auf die Unterlagen der Vermögensverwaltung des Erblassers ("family office") zurückgreifen und den Nachlass einfach "in Empfang nehmen" kann. Er hat im Rahmen der Konstituierung diese nur noch zu überprüfen, der volle Konstituierungszuschlag ist dann nicht gerechtfertigt.
Rz. 44
Auseinandersetzung, Vermächtniserfüllung: Auch für die Auseinandersetzung des Nachlasses ist ein Zuschlag geboten, wenn sie z.B. wegen vieler Immobilien über den normalen Aufwand hinausgeht. Bewertungsfragen sind nicht nur für die Erbschaftsteuererklärung, sondern regelmäßig auch für eine Auseinandersetzung der Erben bedeutsam, und zwar immer dann, wenn eine Realteilung erfolgt und der Erblasser keine verbindlichen Regelungen vorgegeben hat. Hier ist zu bedenken, dass die Diskussion von Bewertungsfragen immer Zeit kostet, ebenso die Vorbereitung der Unterlagen für eine etwaige Begutachtung, weiter das Bereitstellen der zur Begutachtung anstehenden Objekte bzw. das Verschaffen der Zugangsmöglichkeit. Die DNotV-Empfehlungen sehen einen Zuschlag von 2/10 bis 10/10 des Grundbetrages vor, wenn der Testamentsvollstrecker den Nachlass auseinanderzusetzen oder Vermächtnisse zu erfüllen hat.
Rz. 45
Komplexe Nachlassverwaltung: Die Schwierigkeit kann in der Konsistenz des Nachlasses (Geschäftsbeteiligungen, Problemimmobilien, unübersichtliche Forderungen des Nachlasses oder gegen den Nachlass, Auslandsvermögen etc.) wie auch in der Person der Erben (minderjährige Erben, Vielzahl von Erben, Erben im Ausland etc.) begründet sein. Ist der Nachlass besonders schwierig, soll nach den DNotV-Empfehlungen ein Zuschlag von 2/10 bis 10/10 des Grundbetrages anfallen. Auch ein großer Nachlass kann relativ "einfach" im Sinne der jeweiligen Vergütungsempfehlungen sein, so dass ein Zuschlag nicht angebracht ist, etwa wenn saubere Holdingstrukturen sowohl für den betrieblichen wie auch für den privaten Bereich vor dem Erbfall geschaffen wurden und dadurch die Arbeit des Testamentsvollstreckers sowohl bei der Konstituierung wie bei der Abwicklung und bei der Verwaltung erleichtert wird.
Rz. 46
Aufwendige oder schwierige Gestaltungsaufgaben: Ein Zuschlag kann auch durch schwierige Gestaltungsaufgaben, die vom Testamentsvollstrecker zu bewältigen sind, gerechtfertigt sein. Das Aufteilen eines Wertpapierdepots oder eines Bankkontos führt nicht zu diesem Zuschlag, wohl aber das Umstrukturieren eines Unternehmens oder dessen Verkauf, die Umschuldung bei Grundbesitz oder dessen Verwertung, auch die Notwendigkeit, den Nachlass "zu sammeln", Forderungen einzuziehen und die Nachlassstruktur zu vereinheitlichen, wenn dies für die vom Erblasser verfolgten Ziele erforderlich ist. Dazu gehört auch die Einbringung des Nachlasses in eine Gesellschaft oder eine Stiftung, insbesondere, wenn die Gesellschaft bzw. Stiftung vom Testamentsvollstrecker erst noch zu gründen und die Satzung von ihm zu erarbeiten ist. Rechtsstreitigkeiten über den Nachlass und das Bereinigen von Steuerangelegenheiten rechtfertigen ebenfalls einen Zuschlag zur Grundvergütung.
Rz. 47
Steuerangelegenheiten: Die Konstituierung des Nachlasses umfasst nur durch den Erbfall entstehende inländische Steuern, vor allem die Erbschaftsteuer, nicht jedoch zuvor bereits entstandene oder danach entstehende Steuern oder ausländische Steuerangelegenheiten. Bereinigt der Testamentsvollstrecker also Steuerangelegenheiten des Erblassers oder gibt er...