Rz. 134
Voraussetzung bei Erfolgshonorarvereinbarungen gem. § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG ist, dass der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.
Rz. 135
Der Gesetzgeber definiert den Begriff der "verständigen Betrachtung" wie folgt:
Zitat
"Die "verständige Betrachtung" erfordert, dass nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch die finanziellen Risiken und deren Bewertung durch den einzelnen Auftraggeber bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Erfolgshonoraren berücksichtigt werden."
Zu prüfen ist vor Abschluss eines Erfolgshonorars immer die individuelle Lebenssituation der konkret betroffenen rechtsuchenden Person.
Damit ist auch eine "hohe Abneigung gegen die Übernahme eines Prozessrisikos zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses" zu prüfen, die kaum einer gerichtlichen Bewertung unterzogen werden kann.
Rz. 136
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Erfolgshonorarvereinbarung sind nicht:
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eine regelrechte Bedürfnisprüfung ähnlich der PKH, |
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eine Pflicht des Mandanten zur umfassenden Verwertung seines Vermögens, |
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die Einholung von Angeboten durch den Rechtssuchenden bei mehreren Anwälten, |
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die Beauftragung eines besonders preiswerten Rechtsanwalts. |
Kilian geht so weit, dass er die Auffassung vertritt, dass die Auswahlentscheidung des Rechtssuchenden zu akzeptieren ist. Diese Ansicht ist zu bejahen. So hält denn auch § 4a Abs. 1 S. 3 RVG fest, dass für die Beurteilung, ob eine Erfolgshonorarvereinbarung nach § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG zulässig ist, die Möglichkeit, Beratungs- oder Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, außer Betracht bleibt.
Rz. 137
Praxistipp
Die Hinweispflicht gem. § 16 Abs. 1 BORA, bei begründetem Anlass den Auftraggeber auf die Möglichkeit Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, bleibt gleichwohl bestehen.
Möchte der Mandant keinen Antrag auf Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe stellen, obwohl er hierzu (möglicherweise) berechtigt wäre, sollte dies in einem gesonderten Anschreiben an den Auftraggeber nochmals festgehalten werden.
"… hatte ich Sie darauf hingewiesen, dass möglicherweise Ihrerseits ein Anspruch auf Beratungs- (oder Verfahrenskosten)hilfe besteht. Sie wünschen ausdrücklich, dass ich einen solchen Antrag für Sie nicht stelle. Ich werde diesbezüglich daher auch meinerseits nichts veranlassen."
Ggf. sollte der Mandant bereits durch seine Unterschrift im Besprechungstermin bestätigen, dass er diesen Hinweis erhalten hat.
Rz. 138
Möchte der Auftraggeber einen solchen Antrag allerdings nicht stellen, wird eine abgeschlossene Erfolgshonorarvereinbarung dadurch jedoch nicht unwirksam. Zur eigenen Absicherung sollte man sich allerdings vom Auftraggeber unterschreiben lassen, dass er einen solchen Antrag nicht wünscht.
Formulierungsbeispiel
Ich bin von meinem Anwalt/meiner Anwältin darauf hingewiesen worden, dass möglicherweise ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe für den von mir beabsichtigten Prozess … (genaue Bezeichnung) besteht.
Ich wünsche ausdrücklich, einen solchen Antrag nicht zu stellen.
Ort, Datum, Unterschrift
Rz. 139
Sofern der Rechtssuchende daher zwar aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse Anspruch auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfe hätte, diese jedoch aus anderen Gründen (z.B. mangelnde Erfolgsaussicht) nicht erhält, ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ebenfalls zulässig.
Im Übrigen ist sicherlich auch eine Abwägung bei vermögenden Parteien vorzunehmen, wenn aufgrund eines hohen Gegenstandswertes und geringer Erfolgsaussichten der Mandant das Kostenrisiko für die eigenen Anwaltskosten auf den Anwalt abwälzen möchte.
Rz. 140
Der Gesetzgeber zählt eine Reihe von Fällen auf, in denen er sich den Abschluss eines Erfolgshonorars (zulässigerweise) vorstellen kann:
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Geltendmachung zweifelhafter Wiedergutmachungsansprüche, |
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Durchsetzung einer hohen, bestrittenen Schmerzensgeldforderung, |
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Geltendmachung von Vergütungsansprüchen mittelständischer Unternehmen, denen Gewährleistungsrechte entgegengesetzt werden, |
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Arzthaftungsstreitigkeiten eines Patienten, |
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Baustreitigkeiten eines Bauherrn. |
Dabei hält der Gesetzgeber die Regelung des § 4a RVG für so flexibel, dass sie z.B. auch einem mittelständischen Unternehmen im Falle eines großen Bauprozesses die Möglichkeit eröffnet, ein anwaltliches Erfolgshonorar zu vereinbaren. Nach meiner Auffassung kommen Erfolgshonorare in familienrechtlichen Mandaten z.B. dann in Betracht, wenn z.B. zweifelhafte hohe Zugewinnausgleichsforderungen geltend gemacht werden sollen.
Rz. 141
Aus § 4a Abs. 1 S. 1 RVG ergibt sich m.E., dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen müssen. Liegen die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht vor, bleibt eine unwirksame Vereinbarung auch unwirksam, wenn sich die Voraussetzungen später zugunsten des Anwalts im Hinblick auf die Zulässig...