Rz. 105
Der Gesetzgeber hat geregelt, dass eine Vereinbarung, nach der ein im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll, nichtig ist.
Zitat
§ 3a Abs. 4 RVG
…
"(4) 1Eine Vereinbarung, nach der ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll, ist nichtig. 2Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung bleiben unberührt."
Rz. 106
Verschiedene Fragen:
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Was ist die gesetzliche Vergütung im Sinne des § 3a Abs. 4 S. 1 RVG?
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Vergütung nach Tabelle zu § 49 RVG = PKH-Tabelle? ODER: Tabelle zu § 13 RVG = Wahlanwaltstabelle? |
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Angenommen: § 13 RVG – dann wäre eine Vereinbarung über die Differenz zwischen PKH- und Wahlanwaltstabelle grundsätzlich nicht nichtig. |
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Angenommen: § 49 RVG – dann wäre eine solche Vereinbarung definitiv nichtig.
- Frage aber auch: Was ist die gesetzliche Vergütung, wenn die Beiordnung noch nicht beantragt, oder beantragt, und noch nicht erfolgt ist?
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Angenommen die gesetzliche Vergütung i.S.d § 3a Abs. 4 S. 1 RVG wäre die Vergütung nach § 13 RVG (siehe nachstehend, Rdn 109 ff.):
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Darf dann aus einer Vergütungsvereinbarung abgerechnet werden, die nach der Beiordnung geschlossen wurde? |
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Darf dann aus einer Vergütungsvereinbarung abgerechnet werden, die vor der Beiordnung geschlossen wurde? |
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Rz. 107
Fraglich ist, was unter dem Begriff der "gesetzlichen Vergütung" zu verstehen ist. Teubel und Bischof gehen davon aus, dass die Wahlanwaltsvergütung die gesetzliche Vergütung im Sinne des § 3a Abs. 4 S. 1 RVG ist und damit eine Vereinbarung über die Differenz zwischen PKH- und Wahlanwaltsgebühren grundsätzlich wirksam sei; das Recht zur Forderung dieser Vergütung allerdings an § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheitere und der Mandant über diese Vorschrift vor einer Vergütungsforderung des Anwalts aus der wirksamen Vereinbarung geschützt ist. Sobald die Prozesskostenhilfebewilligung aufgehoben wird (§ 124 ZPO), gilt § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr und es ist möglich, die vereinbarte Vergütung zu fordern. Die Sperrwirkung greift darüber hinaus erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe, nicht aber schon, wenn die Prozesskostenhilfe nur beantragt ist. Auch das Berufsrecht verbietet eine Gebührenanforderung erst, wenn PKH bewilligt ist, § 16 Abs. 2 BerufsO. Nur eine Vereinbarung, die für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die Wahlanwaltsvergütung regelt, wäre nach Ansicht von Bischof und Teubel nichtig.
Rz. 108
Der Abschluss einer höheren als die gesetzliche Wahlanwaltsvergütung, die nach § 3a Abs. 4 S. 1 RVG in jedem Fall unstreitig nichtig wäre, ist aber ohnehin wirtschaftlich nicht sinnvoll, da die Staatskasse Zahlungen des Mandanten, die über den gesetzlichen Gebühren nach § 13 RVG liegen, mit der Zahlung aus der Staatskasse nach § 49 RVG verrechnet. Eine solche Vereinbarung würde also ohnehin nur zu Lasten des Mandanten gehen.
Rz. 109
Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Brandenburg ist mit "gesetzlicher Vergütung" i.S.d. § 3a Abs. 4 S. 1 RVG die Vergütung nach der Tabelle zu § 13 RVG gemeint.
Rz. 110
Somit erlaubt § 3a Abs. 4 S. 1 RVG nach Rechtsprechung und Literatur offenbar den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, sofern nicht mehr als die Differenz zwischen VKH/PKH- und Wahlanwaltsgebühren vereinbart wird. Doch darf hieraus auch abgerechnet werden? Suche nach einer Antwort in § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der über § 113 Abs. 1 FamFG auch für Ehe- und Familienstreitsachen sowie über § 76 FamFG für alle übrigen Familiensachen zur Anwendung kommt:
Zitat
"§ 122 ZPO – Wirkung der Prozesskostenhilfe"
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
…
3. die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.“
Doch welche "Vergütung" ist im Sinne des § 122 Abs. 1 S. 3 ZPO gemeint:
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Vergütung überhaupt? |
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Differenzvergütung aus Vereinbarung? |
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Differenzvergütung ohne Vereinbarung? |
Rz. 111
Beachte auch § 16 Abs. 2 BORA:
Zitat
"Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dürfen nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder bei Inanspruchnahme von Beratungshilfe von ihren Mandantinnen und Mandanten oder Dritten Zahlungen oder Leistungen nur annehmen, die freiwillig und in Kenntnis der Tatsache gegeben werden, dass keine Verpflichtung zu einer solchen Leistung besteht."
Von Beiordnung ist hier keine Rede; m.E. müsste es hier heißen: "nach Beiordnung" bzw. "beigeordnete Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte", denn wenn ein zahlungskräftiger Verwandter bereit ist, die Anwaltsvergütung zu übernehmen (z.B. die Großmutter im Sorgerechtsverfahren), nicht aber z.B. teure Gerichtskosten, stellt sich die Frage, ob hier nicht Bewilligung ohne Beiordnung beantragt werden kann, zumal es auch durchaus Gerichte gibt, die in Verfahren ohne Anwaltszwang auch nur VKH bewilligen und keine...