Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 191
Zwischen F und M ist das Ehescheidungsverfahren anhängig.
Sie bewohnen mit den beiden von F betreuten Kindern ein Einfamilienhaus. Sie haben sich innerhalb des Hauses getrennt. F möchte nicht ausziehen, weil sich in unmittelbarer Nähe Schule/Kindergarten, Freunde und Verwandte befinden und sie den Kindern das Umfeld erhalten möchte. M möchte nicht ausziehen, weil er in dem Haus sein Büro untergebracht hat. Er ist freiberuflich tätig.
F hält die psychische Belastung auf Dauer für unerträglich und möchte M zur Räumung des Hauses zwingen.
Variante A: Das Haus ist von beiden Ehegatten gemietet.
Variante B: Das Haus gehört den Ehegatten je zur Hälfte.
Variante C: Das Haus gehört M und seinem Bruder je zur Hälfte.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 192
Nach § 1568a Abs. 1 BGB kann der Ehegatte von dem anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen, der auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist. Darüber hinaus kann die Überlassung der Ehewohnung verlangt werden, wenn dies aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.
Rechtsfolge ist die Begründung oder Fortführung eines Mietverhältnisses.
Dies gilt selbst dann, wenn die Ehegatten Miteigentümer der Wohnung sind oder der zur Überlassung der Ehewohnung verpflichtete Ehegatte Alleineigentümer. Sind sich die Ehegatten allerdings über die Nutzung der im Miteigentum stehenden früheren Ehewohnung einig, ist nicht § 1585a BGB anwendbar. Vielmehr richtet sich der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 745 Abs. 2 BGB.
Nach § 1568a Abs. 5 S. 1 BGB können in Fällen, in denen kein Mietverhältnis über die Ehewohnung besteht, sowohl der Ehegatte, der Anspruch auf deren Überlassung hat, als auch die zur Vermietung berechtigte Person die Begründung eines Mietverhältnisses zu ortsüblichen Bedingungen verlangen. Eine angemessene Befristung des Mietverhältnisses kann aus Billigkeitsgründen bzw. unter den Voraussetzungen verlangt werden, die nach § 575 Abs. 1 BGB die Zulässigkeit eines Zeitmietvertrages begründen.
Durch diese gesetzliche Bestimmung sollten die Streitigkeiten über die Rechtsgrundlage eines Nutzungsentgelts vermieden werden, wenn einem Ehegatten zwar die Wohnung zu überlassen ist, dieser aber nicht zugleich die Begründung eines Mietverhältnisses verlangt. Nach § 1568a Abs. 2 BGB ist der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung eingeschränkt, wenn der andere Ehegatte alleine oder gemeinsam mit einem Dritten Eigentümer oder dinglich berechtigt ist. Dann kann der andere Ehegatte die Überlassung nur verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.
Besteht ein Mietverhältnis an der Ehewohnung, sei es, dass die Ehegatten beide Mietvertragsparteien sind oder nur der zur Überlassung verpflichtete Ehegatte die Wohnung gemietet hat, gewährleistet das Gesetz, dass der Ehegatte, der einen Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung hat, alleiniger Mieter wird.
Dies geschieht nach § 1568a Abs. 3 BGB
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entweder mit Rechtskraft der Endentscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren, § 1568a Abs. 3 Ziff. 2, oder |
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zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung der Ehegatten über die Überlassung an den Vermieter, § 1568a Abs. 3 Ziff. 1. |
In beiden Fällen gilt § 563 Abs. 4 BGB entsprechend, d.h.: Die Rechte des Vermieters sind auf ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund beschränkt, auszuüben innerhalb eines Monats ab Kenntnis von dem endgültigen Eintritt des übernehmenden Ehegatten in das Mietverhältnis. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund kann bei dauerhafter Zahlungsunfähigkeit oder Vermögenslosigkeit, nicht aber schon bei nur geringerer Leistungsfähigkeit des übernehmenden Ehegatten bestehen.
Es bedarf also keiner richterlichen Entscheidung, um ein vertraglich begründetes Mietverhältnis umzugestalten. Die Ehegatten können selbst – auch gegen den Willen des Vermieters – eine Vertragsänderung erreichen. Für diese Mitteilung ist keine besondere Form vorgesehen; sie muss auch nicht unbedingt gemeinsam abgegeben werden. Bei sukzessiven Mitteilungen kommt es für die Wirksamkeit auf den Zugang der letzten Mitteilung beim Vermieter an. Unstreitig wirkt die Mitteilung als Umgestaltung des Mietverhältnisses erst ab Rechtskraft der Ehescheidung. Der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, hat gegen den anderen einen Anspruch auf Mitwirkung an einer Mitteilung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB. Dieser Anspruch kann erforderlichenfalls als sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 FamFG vor dem Familiengericht geltend gemacht werden.
Sind sich die Ehegatten einig, widersetzt sich aber der Vermieter einer dementsprechenden Umgestaltung des Mietverhältnisses, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Wohnungszuweisungsverfahren nach § 1568a BGB, weil den Ehegatten der Umgestaltungsweg nach § 1568a Abs. 3 Ziff. 1 BGB offensteht.
Der Anspruch auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf Begr...