Rz. 31

Die Frage, ob bei einer Scheidung (zur Situation bei der Aufhebung einer Lebenspartnerschaft siehe unten Rdn 85 ff.) mit Auslandsbezug ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist, richtet sich nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB. Der Gesetzgeber hat hier eine sehr differenzierende Regelung geschaffen, die einerseits berücksichtigt, dass in Deutschland grds. bei der Scheidung auch die Versorgungsanrechte der Beteiligten ausgeglichen werden sollen und andererseits die Beteiligten davor in Schutz nimmt, dass ihnen gegen ihren übereinstimmenden Willen ein für sie fremdes Rechtsinstitut aufgezwungen wird. Die Regelung wurde anlässlich des Inkrafttretens der Europäischen ScheidungsVO 1259/2010 ("Rom III") inhaltlich an deren Regelungen angepasst, was insbesondere zu einer Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip zum Aufenthaltsprinzip geführt hat.

 

Rz. 32

Zu beachten ist, dass die Rom III VO zwar am 21.6.2012 in Kraft getreten ist, dass das Ausführungsgesetz, durch das Art. 17 Abs. 3 EGBGB geändert wurde, aber erst am 29.1.2013 in Kraft getreten ist. Daraus folgt, dass sich in den Fällen, in denen das Verfahren nach dem 20.6.2012, aber vor dem 29.1.2013 rechtshängig geworden ist, zwar das neue Internationale Scheidungsrecht, aber noch das bisherige Internationale Versorgungsausgleichsrecht anzuwenden ist.[21]

 

Rz. 33

Im Einzelnen gilt heute:

Grds. maßgebend ist für den Versorgungsausgleich das auf die Scheidung anzuwendende Recht (siehe dazu Rdn 36 ff.).
Jedoch wird ein Versorgungsausgleich von Amts wegen nur dann durchgeführt, wenn danach deutsches Recht anzuwenden ist (siehe dazu Rdn 80 ff.).
Ein Versorgungsausgleich von Amts wegen unterbleibt auch in dem Fall, wenn das Heimatrecht beider Eheleute den Versorgungsausgleich nicht kennt (siehe dazu Rdn 83 ff.).
Ist danach ein Versorgungsausgleich nicht durchzuführen, weil ausländisches Recht anzuwenden wäre oder das Heimatrecht keines der Ehegatten den Versorgungsausgleich kennt, findet gleichwohl ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht statt, wenn bestimmte Zusatzvoraussetzungen vorliegen. Bis zum 29.1.2014 war das der Fall, wenn einer der Ehegatten die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragte und die Ehe zeitweilig einem Recht unterlegen hatte, das den Versorgungsausgleich kennt oder der andere Ehegatte Versorgungsanrechte in Deutschland erworben hatte und der Versorgungsausgleich nicht unbillig war. Bei der Novellierung des Art. 17 Abs. 3 EGBGB wegen des Inkrafttretens der Europäischen ScheidungsVO 1259/2010 ("Rom III") wurden diese Zusatzvoraussetzungen verändert: Heute kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs immer dann verlangt werden, wenn einer der Ehegatten in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat. Das kann auch – anders als früher – der Antragsteller sein. Ob die Ehe dagegen während eines Teils der Ehezeit nach Art. 14 EGBGB deutschem Recht unterlegen hat, ist heute irrelevant.
 

Rz. 34

Zu beachten ist, dass es keine Frage des anwendbaren Rechts ist, ob ein deutsches Gericht den Versorgungsausgleich durchführen kann. Das betrifft vielmehr die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Versorgungsausgleichsverfahren und ergibt sich aus dem FamFG, besonders als Annexzuständigkeit für die Ehesache oder bei (isolierten Verfahren) aus § 102 FamFG (siehe dazu § 11 Rdn 40 ff.).

 

Rz. 35

Ebenso wenig ist es eine Frage des anwendbaren Rechts, ob ausländische Anrechte in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Diese Frage ist allein nach dem auf den Versorgungsausgleich anwendbaren Recht, also – für die vorliegenden Zusammenhänge – dem deutschen Recht zu entscheiden. Nach diesem richtet es sich, ob ausländische Anrechte überhaupt in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind – was § 19 VersAusglG bejaht – und ob sie im Ausgleich bei der Scheidung ausgeglichen werden können. Daran fehlt es im Regelfall, weil ausländische Anrechte nicht ausgleichsreif sind (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG). Sie sind dann im Ausgleich nach der Scheidung schuldrechtlich auszugleichen.

[21] Zum früheren, für Versorgungsausgleichssachen mit Rechtshängigkeit vor dem 29.1.2013 weiter geltenden Rechtszustand siehe die Vorauflage, Rn 30 ff.

1. Anwendung des für die Scheidung berufenen Rechts

a) Grundlagen

 

Rz. 36

In Fällen mit Auslandsberührung richtet sich die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem Recht, das nach der VO 1259/10 ("Rom III") für die Scheidung maßgeblich ist (§ 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Dagegen kommt es nicht darauf an, welches Recht auf die Scheidung tatsächlich angewendet worden ist, wenn die Scheidung bereits vorausgegangen ist. Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB bezieht sich eindeutig auf das anzuwendende, nicht das angewendete Recht.[22] Daran hat sich auch nach der Novellierung nichts geändert. Zweifelhaft ist, wie dann zu verfahren ist, wenn das auf die Scheidung anzuwendende Recht gar nicht nach der VO 1259/2010 zu bestimmen ist, weil diese Frage nach einer Rechtsquelle zu beurteilen ist, die dieser Verordnung vorgeht. Betroffen von dieser Konstellation ist der Fall des deutsch-persischen Ni...

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