Rz. 26
Gem. § 286 Abs. 4 BGB kommt der Auftragnehmer nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Nach § 280 Abs. 1 BGB entfällt ein Schadensersatzanspruch, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dies wird besonders auf größeren Baustellen oft zumindest teilweise der Fall sein, wenn verschiedene Auftragnehmer tätig werden und sich gegenseitig behindern oder wenn der Auftraggeber nicht ausreichend mitwirkt (zum Annahmeverzug des Gläubigers vgl. die Ausführungen unter Rdn 87 ff. und Rdn 111 ff.).
Infolge der Corona-Pandemie haben sich neue Fragen des Verschuldens für entstehende Verzüge gestellt. So hat z.B. das KG Berlin festgestellt, dass ein Auftragnehmer seinen Verzug nicht zu vertreten hat, wenn dieser durch schwerwiegende, unvorhersehbare und unabwendbare Umstände entstanden ist. Nicht dazu gehört nach h.M. aber das Beschaffungsrisiko des Auftragnehmers gem. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB für Baumaterialien und Personal, das zum Einsatz kommen soll. Das Beschaffungsrisiko trägt der Auftragnehmer insofern, als dass er sich nicht darauf verlassen kann, sich kurzfristig mit auf dem Markt vorhandenen Materialien oder Personal eindecken zu können und nunmehr aus für ihn unvorhersehbaren Gründen – eine erhebliche Verknappung oder Verteuerung – die Eindeckung erschwert oder verzögert wird. Nur untypische Risiken werden davon nicht abgedeckt (z.B. aus öffentlich-rechtlichen Beschränkungen für den Export oder die Lieferung bestimmter Waren, die mit zumutbaren Mitteln nicht beschafft werden können, oder eine unvorhersehbare Ablehnung der Belieferung durch den Hersteller).
Rz. 27
Gem. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Auftragnehmer Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Dem eigenen Verschulden der Vertragspartei wird das Verschulden von Personen gleichgestellt, deren sich die Partei zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient, d.h. am Bau in der Regel Planer, Gutachter o.Ä. ("Erfüllungsgehilfen" gem. § 278 BGB).
Rz. 28
Aus der Formulierung des § 286 Abs. 4 BGB ergibt sich, dass der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass seine Leistung aufgrund von Umständen verzögert wurde, die er nicht zu vertreten hat (Entlastungsbeweis). Eine Entlastung des Auftragnehmers hat die Rechtsprechung insbesondere in dem Fall angenommen, dass sich die Grundlagen eines vertraglichen Bauzeitenplans oder eine Vertragsfrist aus Gründen, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hatte, geändert haben.
Nach einhelliger Rechtsprechung der Oberlandesgerichte muss der Auftragnehmer zur Abwehr des Verzugsvorwurfs und daher auch einer verzugsbedingten Kündigung eine sog. bauablaufbezogene Darstellung vorlegen, die den Nachweis erbringt, dass der Verzug nicht auf vom Auftragnehmer zu vertretende Ursachen zurückgeht. Die Anforderungen der bisherigen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung an die bauablaufbezogene Darstellung sind hoch – viele meinen, viel zu hoch –, sodass der Auftragnehmer hinsichtlich seines Entlastungsbeweises ein hohes Risiko trägt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der vom Auftragnehmer erstellte oder mit dem Auftraggeber vereinbarte Terminplan ggf. zeitliche Puffer enthält. Nach der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte stehen die diesbezüglichen Zeitreserven dem Auftragnehmer zur Kompensation seiner Verzüge zur Verfügung, d.h. der Auftraggeber kann nicht verlangen, dass die vom Auftragnehmer geplanten Zeitpuffer für die Kompensation von auftraggeberseitigen Behinderungen eingesetzt werden.
Keine Entlastung gewährt dem Auftragnehmer eine Verzögerung der Leistung, die auf fehlender eigener finanzieller Leistungsfähigkeit oder fehlerhaften geschäftlichen Dispositionen beruht.