Rz. 72
Voraussetzung für die Kündigung ist die Setzung einer angemessenen Frist zur Vertragserfüllung (Beginn der Ausführung, Ausführung und Fertigstellung der Bauarbeiten, Ergreifen von Abhilfemaßnahmen nach § 5 Abs. 3 VOB/B) durch den Auftraggeber mit Kündigungsandrohung.
Rz. 73
Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Angemessenheit der Frist nicht nach dem konkreten Stand der Vorkehrungen des betreffenden Unternehmens, sondern danach, welche Zeit ein leistungsfähiger, sachkundiger und zuverlässiger Auftragnehmer benötigt (siehe im Übrigen unter Rdn 33).
Rz. 74
Der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt oder Ingenieur ist nach den Grundsätzen der originären Architektenvollmacht nicht bevollmächtigt, im Namen des Auftraggebers eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung gegenüber dem Auftragnehmer auszusprechen.
Rz. 75
Eine Fristsetzung zur Erklärung der Leistungsbereitschaft genügt grundsätzlich nicht. Nur ausnahmsweise, z. B bei ernsthaften Zweifeln an der Leistungsbereitschaft des Auftragsnehmers, kann eine solche Frist als ausreichend angesehen werden. Der BGH hat bisher eine Kündigungsmöglichkeit wegen Nichteinhaltung einer bloßen Erklärungs- oder Beginnfrist stets von besonderen Umständen (hoher organisatorischer Aufwand des Auftraggebers für die Mängelbeseitigung und Bestreiten der Nacherfüllungspflicht durch Auftragnehmer, schwer abzuschätzender Zeitraum für die Mangelbeseitigung und passives Verhalten des Auftragnehmers, Erklärung des Auftragnehmers, dass er zur fristgerechten Leistung nicht imstande ist) abhängig gemacht.
Rz. 76
Wenn die dem Auftragnehmer mit Kündigungsandrohung gesetzte Frist ergebnislos abgelaufen ist, dann kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 VOB/B). Die Kündigungserklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 8 Abs. 5 VOB/B).
Rz. 77
Nach § 314 Abs. 3 BGB, auf den § 648a Abs. 3 BGB verweist, muss der Berechtigte die Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb einer angemessenen Frist aussprechen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Lässt er die Frist verstreichen, kann er die Kündigung nicht mehr auf diesen Kündigungsgrund stützen. Wenn der Auftraggeber den Ausspruch der Kündigung verzögert, z.B. sich nach Ablauf der gesetzten Frist auf Verhandlungen mit dem Auftragnehmer einlässt oder diesem etwa noch gestattet, die Bauarbeiten fortzusetzen, dann ist das Kündigungsrecht des Auftraggebers verwirkt. Wenn der Auftraggeber dann doch noch kündigen will, muss er erneut eine Frist setzen und die Kündigung androhen.
Rz. 78
Die Kündigung kann gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden (Teilkündigung).
Rz. 79
Aus der Kündigung nach §§ 5 Abs. 4, 8 Abs. 3 VOB/B ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
▪ |
Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nur für erbrachte Leistungen unter der Möglichkeit des Auftragnehmers, ein gemeinsames Aufmaß nach der Kündigung zu verlangen (§ 8 Abs. 7 VOB/B), |
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Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung von Mehrkosten für die Weiterführung und Fertigstellung der Leistungen durch eine Drittfirma (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 VOB/B), |
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Anspruch des Auftraggebers auf vollen Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages bei Verzicht auf weitere Ausführung wegen Interessewegfalls (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 VOB/B), |
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Berechtigung des Auftraggebers, gegen angemessene Vergütung Geräte, Gerüste, andere Einrichtungen, angelieferte Stoffe und Bauteile für die Weiterführung der Arbeiten in Anspruch zu nehmen (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B), |
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Anspruch des Auftragnehmers auf Abrechnung der kündigungsbedingten Mehrkosten gegenüber dem Auftraggeber binnen 12 Werktagen nach Vorlage der Abrechnung durch die Folgeunternehmer (§ 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B). |
Rz. 80
Die Berechnung der Teilvergütung des Auftragnehmers für erbrachte Leistungen erfolgt nach den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen zur Abrechnung von Teilleistungen nach der Kündigung von Bauverträgen.
Rz. 81
Der Anspruch des Auftraggebers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 VOB/B auf Erstattung von Mehrkosten für die Weiterführung und Fertigstellung der Leistungen durch eine Drittfirma entspricht im Ergebnis dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB. Auf die entsprechenden Ausführungen unter Rdn 32 wird hingewiesen. Der Auftraggeber kann vom Auftragnehmer für die zu erwartenden Ersatzvornahmekosten einen Vorschuss verlangen.
Rz. 82
Weiterhin kann der Auftraggeber die Weiternutzung der Baustelleneinrichtung des Auftragnehmers gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B verlangen, die er jedoch nach üblichen und nicht nach den Vertragspreisen vergüten muss. Gegen den Vergütungsanspruch kann er mit den Mehrkosten infolge der Kündigung aufrechnen.
Rz. 83
Der Auftraggeber kann, statt die Vertragsleistungen durch eine Drittfirma weiterführen und fertig stellen zu lassen, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 VOB/B auf eine weitere Ausführung verzichten und vom Auftra...