I. Die Varianten zur Beendigung des Vor- und Nacherbenrechtsverhältnisses
Rz. 112
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass durch einvernehmliche Regelungen zwischen Vorerben und Nacherben der nacherbengebundene Nachlass "freigegeben" werden kann. Zur Beendigung der Vor- bzw. Nacherbschaft kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, je nach dem zu erreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Ziel. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob der Nachlass letztlich dem Vorerben verbleiben soll oder dem Nacherben.
Verbleib des Nachlasses beim Vorerben:
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Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts |
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Ausschlagung der Nacherbschaft durch den Nacherben. |
II. Keine Erbauseinandersetzung zwischen Vorerbe und Nacherbe
Rz. 113
Das Vorerben- und Nacherbenrechtsverhältnis kann nicht mittels einer Erbauseinandersetzung beendet werden. Zwischen Vor- und Nacherben besteht keine der Erbengemeinschaft vergleichbare gesamthänderische Berechtigung am Nachlass. Aber selbst, wenn man eine Rechtsähnlichkeit bejahen würde, bliebe die Frage unbeantwortet, wie der in § 2042 BGB begründete Anspruch auf Erbauseinandersetzung umgesetzt werden sollte.
Soll der Nachlass vorzeitig dem/den Nacherben zukommen, sind besondere Vereinbarungen erforderlich.
III. Keine Erbengemeinschaft unter den Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 114
Eine Erbengemeinschaft beruht nicht auf einem freien Willensentschluss, sondern ausschließlich auf gesetzlicher Anordnung. Sie kann nicht durch freie Vereinbarung herbeigeführt werden. Lässt also der Vorerbe vor Eintritt des Nacherbfalls ein Nachlassgrundstück an die (Mit-)Nacherben auf, so können diese nicht als Nacherben zur gesamten Hand in das Grundbuch eingetragen werden, da zwischen ihnen vor Eintritt des Nacherbfalls eine Erbengemeinschaft nicht besteht.
Rz. 115
Ein einer Erbengemeinschaft zugeordnetes gemeinschaftliches Vermögen haben Nacherben vor dem Nacherbfall nicht. Das Erblasservermögen liegt vielmehr bis zum Nacherbfall ausschließlich in der Hand des/der Vorerben.
Rz. 116
Eine rechtsgeschäftliche Vorverlegung des Endes der Vorerbenstellung ist auch nicht im Wege eines Erbschaftskaufs (§§ 2371 ff. BGB) bzw. dessen dinglicher Erfüllung zu erreichen. Gegenstand des (schuldrechtlichen) Erbschaftskaufs ist grds. die Erbschaft als Ganzes oder der Bruchteil einer Alleinerbschaft oder der Anteil eines Miterben oder ein Teil davon; er ist vom Kauf einzelner Nachlassgegenstände zu unterscheiden. Soweit der Alleinerbe den schuldrechtlichen Vertrag erfüllt, indem er dem Käufer alle (oder einzelne) Gegenstände, welche zum Nachlass gehören, durch die die betreffenden Gegenstände entsprechenden Übertragungsakte (hier durch Auflassung und Eintragung) verschafft, kann durch eine Übertragung an mehrere Personen als Käufer keine Gesamthandsgemeinschaft entstehen, sondern allenfalls eine Bruchteilsgemeinschaft. Auf den Verkauf von Bruchteilen einer Alleinerbschaft finden die Vorschriften zum Verkauf der ganzen Erbschaft Anwendung; der Alleinerbe muss daher an allen Nachlassgegenständen eine Mitberechtigung schaffen, die dem verkauften Bruchteil entspricht.
IV. Beendigung der Vor- und Nacherbschaft bei Ausschlagung durch den Nacherben
1. Ausschlagungsrecht vor Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 117
Nach Eintritt des Erbfalls besteht die Rechtsstellung des Nacherben darin, dass er seine Nacherbenrechte schon vor Eintritt des Nacherbfalls ausschlagen kann, § 2142 Abs. 1 BGB. Darüber kann auch eine Vereinbarung getroffen werden. In einem solchen Falle kommt eine Abfindung des ausschlagenden Nacherben in Betracht.
2. Form und Frist für die Ausschlagung
Rz. 118
Für die Formalien der Ausschlagungserklärungen gilt § 1945 Abs. 1 BGB (notarielle Beglaubigung oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts).
§ 2142 Abs. 1 BGB stellt klar, dass auch für den Nacherben die Regelung des § 1946 BGB gilt, wonach der Nacherbe die Erbschaft bereits nach Eintritt des Erbfalls sein Nacherbenrecht ausschlagen kann und nicht etwa den Nacherbfall abzuwarten braucht. Dies gilt auch für den häufigen Fall der Einsetzung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung. § 2142 BGB eröffnet lediglich das Recht zur Ausschlagung ab Kenntnis vom Erbfall, die Ausschlagungsfrist beginnt für den Nacherben jedoch gem. §§ 2139, 1944 Abs. 2 BGB erst mit der Kenntnis vom Nacherbfall.
Hinweis
Bei der Vor- und Nacherbfolge beginnt die Ausschlagungsfrist für den Nacherben frühestens mit Kenntnis des Nacherbfalls und nicht mit dem Erbfall – auch bei einer Ausschlagung nach § 2306 BGB.
Rz. 119
Der Nacherbe kann also unter dem Gesichtspunkt des Fristenlaufs den Nacherbfall abwarten. Er kann aber auch während des Bestehens der Vorerbschaft die Nacherbschaft ausschlagen. Ist der Nacherbe pflichtteilsberechtigt und will er im Hinblick auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gem. § 2306 BGB ausschlagen, so kann die Frist nach der Sonderregelung des § 2306 Abs. 1 HS. 2 BGB noch weiter hinausgeschoben sein. Allerdings läuft die Pflichtteils-Verjährungsfrist unabhängig von der Ausschlagungsfrist, vgl. § 2332 Abs. 2 BGB. Ein Pflichtteilsanspruch des Nacherben könnte also schon verjährt sein, bevor die Ausschlagungsfrist auch nur begonnen hat. Erlangt der Nacherbe im Erbscheinsverfahren des Vorerben Kenntnis vom Inhalt der Verfügung von Todes wegen, so setzt diese Kenntnis nicht die Ausschlag...