1. Ausschlagungsrecht vor Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 117
Nach Eintritt des Erbfalls besteht die Rechtsstellung des Nacherben darin, dass er seine Nacherbenrechte schon vor Eintritt des Nacherbfalls ausschlagen kann, § 2142 Abs. 1 BGB. Darüber kann auch eine Vereinbarung getroffen werden. In einem solchen Falle kommt eine Abfindung des ausschlagenden Nacherben in Betracht.
2. Form und Frist für die Ausschlagung
Rz. 118
Für die Formalien der Ausschlagungserklärungen gilt § 1945 Abs. 1 BGB (notarielle Beglaubigung oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts).
§ 2142 Abs. 1 BGB stellt klar, dass auch für den Nacherben die Regelung des § 1946 BGB gilt, wonach der Nacherbe die Erbschaft bereits nach Eintritt des Erbfalls sein Nacherbenrecht ausschlagen kann und nicht etwa den Nacherbfall abzuwarten braucht. Dies gilt auch für den häufigen Fall der Einsetzung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung. § 2142 BGB eröffnet lediglich das Recht zur Ausschlagung ab Kenntnis vom Erbfall, die Ausschlagungsfrist beginnt für den Nacherben jedoch gem. §§ 2139, 1944 Abs. 2 BGB erst mit der Kenntnis vom Nacherbfall.
Hinweis
Bei der Vor- und Nacherbfolge beginnt die Ausschlagungsfrist für den Nacherben frühestens mit Kenntnis des Nacherbfalls und nicht mit dem Erbfall – auch bei einer Ausschlagung nach § 2306 BGB.
Rz. 119
Der Nacherbe kann also unter dem Gesichtspunkt des Fristenlaufs den Nacherbfall abwarten. Er kann aber auch während des Bestehens der Vorerbschaft die Nacherbschaft ausschlagen. Ist der Nacherbe pflichtteilsberechtigt und will er im Hinblick auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gem. § 2306 BGB ausschlagen, so kann die Frist nach der Sonderregelung des § 2306 Abs. 1 HS. 2 BGB noch weiter hinausgeschoben sein. Allerdings läuft die Pflichtteils-Verjährungsfrist unabhängig von der Ausschlagungsfrist, vgl. § 2332 Abs. 2 BGB. Ein Pflichtteilsanspruch des Nacherben könnte also schon verjährt sein, bevor die Ausschlagungsfrist auch nur begonnen hat. Erlangt der Nacherbe im Erbscheinsverfahren des Vorerben Kenntnis vom Inhalt der Verfügung von Todes wegen, so setzt diese Kenntnis nicht die Ausschlagungsfrist in Lauf. Der Beginn der Ausschlagungsfrist setzt eine Kundgabe an den Nacherben als Beteiligten nach Eintritt des Nacherbfalls voraus. Als Verkündung einer Verfügung von Todes wegen i.S.v. § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB reicht die schlichte Eröffnung gem. § 2260 BGB (Eröffnungsprotokoll; Vermerk auf dem Testament), wenn der Erbe zu ihr nicht geladen wird, nicht aus. Verkündet ist dann erst, wenn der Erbe von der Eröffnung Kenntnis erlangt.
3. Rechtswirkungen der Ausschlagung
a) Erstarken des Vorerbenrechts
Rz. 120
Im Grundsatz gilt: Schlägt der Nacherbe die Erbschaft aus, so erstarkt die Vorerbenstellung des Vorerben im Zweifel zur Vollerbschaft gem. § 2142 Abs. 2 BGB.
b) Rechte der Ersatznacherben und Nachnacherben
Rz. 121
Eine Gegenleistung für die Ausschlagung dürfte für Vor- und Nacherben aber nur dann in Betracht kommen, wenn sicher ist, dass der Vorerbe tatsächlich gem. § 2142 Abs. 2 BGB Vollerbe wird und im Falle der Ausschlagung die Nacherbschaft nicht an einen Ersatznacherben fällt. Nach § 2104 S. 1 BGB würde ganz allgemein Folgendes gelten: Hat der Erblasser angeordnet, dass der Erbe nur bis zu dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses Erbe sein soll, ohne zu bestimmen, wer alsdann die Erbschaft erhalten soll, so ist anzunehmen, dass als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn er zur Zeit des Eintritts des Zeitpunkts oder des Ereignisses gestorben wäre. Aber § 2142 Abs. 2 BGB ist im Verhältnis zu § 2104 BGB lex specialis, so dass die speziellere Regelung der allgemeinen vorgeht.
Rz. 122
Das Recht des Vorerben erstarkt jedoch gem. § 2142 Abs. 2 Alt. 2 BGB dann nicht zum Vollrecht, wenn der Erblasser etwas anderes bestimmt hat. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann in zwei Alternativfällen vorliegen:
(1) |
Die Einsetzung von Ersatznacherben. |
(2) |
Die Anordnung einer gestaffelten Nacherbeneinsetzung (Nach-Nacherbeneinsetzung). |
Rz. 123
Ausschlaggebend für den Eintritt der Ersatznacherbfolge ist der Zeitpunkt des Nacherbfalls, entsprechend der Ersatzerbfolge bei Eintritt des Erbfalls. Im Falle einer Erbausschlagung ist deshalb zu prüfen, ob sich aus der Verfügung von Todes wegen eine Ersatzerbeinsetzung (auch durch Auslegung) ergibt, oder ob die gesetzliche Ersatzerbenregelung aus der Ergänzungsvorschrift des § 2069 BGB greift. Die gesetzliche Ergänzungsregel von § 2069 BGB, wonach bei Einsetzung eines Abkömmlings durch den Erblasser im Falle dessen Wegfalls im Zweifel dessen Abkömmlinge entsprechend gesetzlicher Erbfolgeregel bedacht sind, findet dann keine direkte Anwendung, wenn ein Erblasser keine Abkömmlinge zu Nacherben eingesetzt hat.
Rz. 124
Die obergerich...