Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 25
Das in §§ 11 ff. BinSchG geregelte Verklarungsverfahren bezweckt eine alsbaldige Sicherung der Beweismittel nach einem Schiffsunfall. Mit dem Seehandelsrechtsreformgesetz (vgl. dazu § 6 Rdn 3 f.) wurde das seerechtliche Verklarungsverfahren abgeschafft. Die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, auch das binnenschifffahrtsrechtliche Verklarungsverfahren abzuschaffen, ist auf deutlichen Widerstand der Praxis gestoßen und wurde aufgegeben.
Rz. 26
Zwischen dem selbstständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO und dem Verklarungsverfahren nach §§ 11 ff. BinSchG bestehen Parallelen, aber auch wesentliche Unterschiede. Das Verklarungsverfahren ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das Gericht ist nicht auf die Erhebung der beantragten oder angeregten Beweise beschränkt, es sind vielmehr von Amts wegen alle zur Sachaufklärung erforderlichen Beweise zu erheben und erforderlichenfalls Gutachten einzuholen. Für die Gestaltung des Verfahrens sowie Art und Umfang der Beweisaufnahme ist allein das Gesamtinteresse an einer möglichen Aufklärung des vollständigen Sachverhalts eines Schiffsunfalls als Voraussetzung für die spätere Regelung aller irgend möglichen Ansprüche der daran Beteiligten maßgebend.
Rz. 27
Die Tatsache, dass gemäß § 11 BinSchG der Schiffer grundsätzlich allein antragsberechtigt ist, zeigt, dass es im Verklarungsverfahren gerade auch um die Frage geht, ob der Schiffer die ihm gemäß § 7 Abs. 1 BinSchG obliegende Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers erfüllt hat. Da der Schiffer bei Nichteinhaltung der erforderlichen Sorgfalt gegebenenfalls gemäß § 7 Abs. 2 BinSchG haftet, besteht ein Bedürfnis zu klären, welche Schäden am Schiff auf dem Schiffsunfall selbst und einer fachgerechten Bergung beruhen und welche Schäden auf Fehlern bei einer anschließenden Bergung beruhen, weil es immerhin möglich ist, dass der Schiffer für die einen Schäden haftet und für die anderen (etwa wegen der sog. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs) nicht. Im Verklarungsverfahren wird zwar nicht entschieden, welche Schäden kausal zurechenbar sind. Das Verklarungsverfahren dient aber der Klärung der tatsächlichen Umstände, die eine entsprechende Beurteilung ermöglichen. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 BinSchG hat sich der Schiffer selbst zum Zeugnis zu erbieten; die Beweisaufnahme erfolgt nach den Regeln der ZPO inklusive der bestehenden Zeugnisverweigerungsrechte.
Rz. 28
§ 13 Abs. 3 S. 2 BinSchG gestattet ausdrücklich den am Verklarungsverfahren Beteiligten, eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel zu beantragen. Bei der Entscheidung des Schifffahrtsgerichts über einen solchen Antrag sind Zweck und Bedeutung des Verklarungsverfahrens zu berücksichtigen: Es dient einer alsbaldigen Sicherung der Beweismittel nach einem Schiffsunfall. Schäden an den beteiligten Schiffen müssen alsbald ausgebessert werden, um eine Ausweitung des Schadens durch Nutzungsausfall zu vermeiden. Die Erinnerung von Zeugen verblasst mit der Zeit und ihre Aussagen werden immer unzuverlässiger. Diese Umstände nötigen einen Geschädigten, nach einem Unfall rasch die tatsächlichen Grundlagen für eine erfolgreiche Durchsetzung seiner Ansprüche festzustellen und zu sichern und damit zu vermeiden, dass Beweismittel zerstreut werden.
Rz. 29
Hinzu kommt, dass die Beteiligten durch das Ergebnis eines Verklarungsverfahrens einen Überblick darüber gewinnen, ob und in welchem Umfang sie (möglicherweise) Schadensersatz verlangen können. Je nach dem Ausgang eines Verklarungsverfahrens einigen sich vielfach die Parteien und lassen es erst gar nicht zu einem kostspieligen Rechtsstreit kommen. Kommt es zu keiner Einigung und doch zu einem Rechtsstreit, so bildet das Ergebnis des Verklarungsverfahrens eine Grundlage für die weitere Beurteilung, auf die sich auch die Schifffahrtsgerichte selbst grundsätzlich stützen. Nur ausnahmsweise kommt es zu einer Wiederholung von bereits im Verklarungsverfahren erhobenen Beweisen.
Rz. 30
Deshalb kommt dem Sachverständigenbeweis im Verklarungsverfahren für die Klärung der Unfallursache eine besondere Bedeutung zu. Die Gerichte nehmen zur Klärung technischer und nautischer Fragen bereits im Verklarungsverfahren zunehmend die Hilfe von Sachverständigen in Anspruch. Gegenstand der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren kann auch die Höhe des eingetretenen Schadens sein. Dies schließt die Höhe der für die Bergung eines Schiffes erforderlichen Kosten mit ein. Die Beurteilung der Bergeleistung selbst, also die sachgerechte Durchführung und Üblichkeit der Abrechnung, ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Verklarung.
Rz. 31
Den Antrag, ein Verklarungsverfahren durchzuführen, kann zwar nur der Schiffer stellen (§ 11 Abs. 1 BinSchG). Gemäß § 13 Abs. 3 S. 2 BinSchG können die Beteiligten aber – wie oben erwähnt – eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel verlangen. Durch das Verklarungsverfahren soll grundsätzlich eine umfassende und in Einzelfäl...