Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 119
Charakteristisch für einen personenbezogenen Kündigungsgrund ist, dass der Arbeitnehmer den Verlust seiner Fähigkeiten oder seiner Eignung, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, nicht oder nicht mehr steuern kann (KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 266; APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 120; Schaub/Linck, ArbRHB, § 131 Rn 12).
Rz. 120
Demgegenüber liegt einer verhaltensbedingten Kündigung ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde, welches mit einer vorwerfbaren Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten einhergeht. Anders gewendet: Ein personenbezogener Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Arbeitnehmer will, aber nicht kann, ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund, wenn der Arbeitnehmer kann, aber nicht will (so prägnant v. Hoyningen/Huene-Linck, § 1 KSchG Rn 290).
Rz. 121
Allerdings hat das BAG auch dann einen personenbezogenen Kündigungsgrund angenommen, wenn der Arbeitnehmer die tatsächlich bestehende Möglichkeit nicht nutzt, ein Leistungshindernis in seiner Person durch ein von ihm steuerbares Verhalten zu beseitigen (BAG v. 4.6.1997 – 2 AZR 526/96, EzA § 626 BGB Rn 168). Dies weicht die Abgrenzung zwischen personen- und verhaltensbedingten Gründen auf. Verhält sich etwa ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in einer Art und Weise, die seine Genesung verzögert oder verhindert oder unterlässt es ein Arbeitnehmer schuldhaft, eine Lizenz zu erwerben, die für seine Tätigkeit erforderlich ist, verhält er sich vertragswidrig. Dies ist indes gerade charakteristisch für einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund.
Rz. 122
Die auf den ersten Blick klare Abgrenzung zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung kann im Einzelfall auch aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten Schwierigkeiten aufwerfen.
Rz. 123
Beispiel 1
Ein Arbeitgeber kündigt, weil er nach längerer Krankheit des Arbeitnehmers in der Vergangenheit und nach erfolgter Wiederaufnahme der Arbeit das neuerliche Fernbleiben des Arbeitnehmers ebenfalls auf Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit zurückführt. In Wirklichkeit hat der – weiterhin gesunde – Arbeitnehmer eine Zeitlang unentschuldigt gefehlt. Die Kündigung ist objektiv nicht personen-, sondern verhaltensbedingt. Ihre Wirksamkeit ist an den Anforderungen an verhaltensbedingte Kündigungen zu messen und wird möglicherweise an einer fehlenden Abmahnung scheitern.
Rz. 124
Beispiel 2
Der Arbeitnehmer wurde vom Arbeitgeber in der Vergangenheit – wirksam – wegen unentschuldigten Fehlens bzw. wegen verspäteter Arbeitsaufnahme abgemahnt. Der Arbeitnehmer erscheint am 4.12.2008 nicht zur Arbeit. Der Arbeitgeber spricht daraufhin eine außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens aus. Später stellt sich heraus, dass der Arbeitnehmer am 4.12.2008 arbeitsunfähig krank war und lediglich die Mitteilung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG unterlassen hat.
Objektiv liegt kein Fall des unentschuldigten Fehlens vor; die Verletzung der Mitteilungspflicht rechtfertigt allenfalls nach vorheriger einschlägiger Abmahnung eine Kündigung. Ob die Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens hier einschlägig ist, ist zumindest zweifelhaft.