Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 520
Wenn ein Arbeitnehmer nur unzureichende Arbeitsleistungen erbringt, kann dies unter Umständen nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG v. 22.7.1982, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung m. Anm. Otto; BAG v. 21.5.1992, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; BAG v. 11.12.2003, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung). Im Einzelfall kann die Abgrenzung zu einer personenbedingten Kündigung wegen Minderleistungen schwierig sein (zur personenbedingten Kündigung wegen Minderleistungen vgl. Rdn 271). In Zweifelsfällen ist grds. vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich (BAG v. 27.9.1976, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung m. Anm. Boden).
Rz. 521
Welche Leistung der einzelne Arbeitnehmer zu erbringen hat, folgt in erster Linie aus den arbeitsvertraglichen Abreden. Diese werden durch die Ausübung des Direktionsrechtes und das subjektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers konkretisiert. Das BAG geht dabei von einem subjektiven Leistungsbegriff aus (im Einzelnen und zur Kritik hierzu vgl. Rdn 272). Der Arbeitnehmer muss danach grds. unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Daraus ist allerdings nicht zu folgern, dass der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht selbst willkürlich bestimmen kann (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784). Eine längerfristige deutliche Unterschreitung der durchschnittlichen Arbeitsleistung kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer weniger arbeitet, als er könnte (BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 386/03, NZA 2004, 1380).
Rz. 522
Will der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung wegen unzureichender Arbeitsleistung aussprechen, hat er substanziiert darzulegen, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Arbeitsleistungen erbringt, obwohl er zu besseren Leistungen in der Lage wäre. Hierzu muss zunächst die durchschnittliche Arbeitsleistung bestimmt werden. Allerdings rechtfertigt nicht jeder Fall, in dem ein Arbeitnehmer nur unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, eine verhaltensbedingte Kündigung. Ein Arbeitnehmer, der für sich genommen gute Leistungen erbringt, kann in einer sehr guten Arbeitsgruppe als unterdurchschnittlich erscheinen (BAG v. 22.7.1982, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).
Rz. 523
I.R.d. Darlegungs- und Beweislast obliegt es dem Arbeitgeber, den herangezogenen Vergleichsmaßstab substantiiert vorzutragen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, selbstständig feststellen zu können, ob eine nicht mehr zu tolerierende Minderleistung vorliegt (APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 281).
Rz. 524
Dabei gelten nach der Rspr. des BAG (v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784; BAG v. 3.6.2004, NZA 2004, 1380) folgende Grundsätze: Zunächst obliegt es dem Arbeitgeber zu den Leistungsmängeln die Tatsachen vorzutragen, die er kennen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, kommt er seiner Darlegungslast nach, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass die Leistungen des gekündigten Arbeitnehmers deutlich unter denen vergleichbarer Arbeitnehmer liegen, mithin die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Daraufhin hat der Arbeitnehmer den Vortrag des Arbeitgebers und dessen Aussagefähigkeit im Einzelnen substantiiert zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.