Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
a) Hinweis im Kündigungsschreiben
Rz. 834
Das Entstehen des Anspruches setzt neben der betriebsbedingten Kündigung voraus, dass der Arbeitgeber in der schriftlichen (§ 623 BGB) Kündigungserklärung den Hinweis gegeben hat, die Kündigung werde auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt und der Arbeitnehmer könne bei Verstreichenlassen der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG die Abfindung beanspruchen. Es ist ausreichend, dass der Arbeitgeber die Kündigung als betriebsbedingt bezeichnet. Eine nähere Begründung ist nicht erforderlich (BT-Drucks 15/1204, 12).
Rz. 835
Der Arbeitgeber muss die Höhe der Abfindung nicht beziffern, da sich diese bereits aus § 1a KSchG ergibt (BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 340/06, NZA 2007, 1357, 1359).
b) Annahme durch Verstreichenlassen der Frist
Rz. 836
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf die Abfindung, wenn er die Klagefrist verstreichen lässt.
Rz. 837
Erhebt er Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist, hat er keinen Anspruch auf die Abfindung. Die gesetzliche Regelung will gerichtliche Auseinandersetzungen der Arbeitsvertragsparteien vermeiden und den Parteien eine einfache, effiziente und kostengünstige außergerichtliche Option zu einem fairen Interessenausgleich zur Verfügung stellen. Diesem Zweck entspricht es, einem Arbeitnehmer die Abfindung zu versagen, wenn er eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet hat (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699; vgl. auch BT-Drucks 15/1204, 9, 12).
Rz. 838
Nimmt der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage zurück, können die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 S. 1 KSchG nicht mehr – nachträglich – erfüllt werden. Daran ändert auch § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO nichts, wonach der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, wenn die Klage zurückgenommen wird (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699). Die Rücknahmefiktion würde das gesetzgeberische Ziel konterkarieren, einen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung nur im Fall der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begründen. Dem widerspräche es, wenn der Arbeitnehmer zunächst die Entwicklung des Kündigungsschutzprozesses abwarten und die Klage bei sich abzeichnender Erfolglosigkeit zurücknehmen könnte, um noch in den Genuss der vom Arbeitgeber mit dem Hinweis nach § 1a Abs. 1 S. 2 KSchG angebotenen Abfindung kommen zu können. Um die Beseitigung eben dieser Unwägbarkeiten aber ist es dem Gesetzgeber mit der Schaffung des § 1a KSchG gegangen (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699; KR/Spilger, § 1a KSchG Rr. 79).
Rz. 839
Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte (Kündigungsschutz-) Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699; vgl. auch ErfK/Oetker, Rn 14; Löwisch, NZA 2003, 689, 694; Preis, DB 2004, 70, 74; Raab, RdA 2005, 1 9; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177, 182). Zwar regelt § 1a Abs. 1 KSchG diesen Fall nicht ausdrücklich. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung folgt aber, dass ein Anspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit der Antragstellung auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entfällt. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag nunmehr doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden wollte (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699).
Rz. 840
Aus den gleichen Gründen können auch durch die – alsbaldige – Rücknahme des Antrages auf nachträgliche Zulassung die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 S. 1 KSchG nicht mehr – nachträglich – erfüllt werden (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 971/06, NZA 2008, 696, 699).
Rz. 841
Schließlich steht einem Abfindungsanspruch entgegen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der 3-Wochen-Frist eine Leistungsklage erhebt und inzident – ausdrücklich oder konkludent – die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht (Preis, DB 2004, 70, 74; Raab, RdA 2005, 1, 9 f.; Willemsen/Annuß, NJW 2004, 177, 183; v. Hoyningen/Huene, § 1a KSchG Rn 11; a.A. KR/Spilger, § 1a KSchG Rn 78: Abfindungsanspruch aufschiebend bedingt durch die Rücknahme der Leistungsklage).
Rz. 842
Hat der Arbeitgeber in einem der vorgenannten Fälle bereits die Abfindung gezahlt, kommt ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB in Betracht (ErfK/Oetker, § 1a KSchG Rn 14).
c) Ablauf der Kündigungsfrist
Rz. 843
Nach § 1a Abs. 1 S. 1 KSchG hat der Arbeitnehmer "mit dem Ablauf der Kündigungsfrist" Anspruch auf die Abfindung. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der rechtlich zutreffenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 45/06, NZA 2007, 1043). Hat der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben eine unzutreffende Kündigungsfrist angegeben, ist dies unerheblich. Der Arbeitnehmer kann auch gerichtlich gegen eine unzutreffende Kündigungsfrist vorgehen, ohne dass er seinen Anspruch auf die Abfindung verliert (Quecke, RdA 2004, 86, 97 f.; KR/Spilger, § 1a KSchG Rn 67).
Rz. 844
Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass der ...