Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 125
Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer personen- bzw. verhaltensbedingten Kündigung unterscheiden sich namentlich im Hinblick darauf, dass bei einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung erforderlich ist. Sinn und Zweck einer Abmahnung ist es, den Arbeitnehmer zukünftig zu vertragsgemäßem Verhalten aufzufordern. Kann die mit einer Abmahnung verfolgte Warnfunktion aber wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erreicht werden, bedarf es keiner vorherigen Abmahnung; sie ginge ins Leere.
Rz. 126
Nach Ansicht des BAG ist indes eine Abmahnung auch bei einer personenbedingten Kündigung erforderlich, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, den in seiner Person liegenden Kündigungsgrund durch ein steuerbares Verhalten zu beseitigen und dadurch eine Wiederherstellung des Vertrauens zu erwarten ist (BAG v. 4.6.1997– 2 AZR 526/96, AP Nr. 137 zu § 626 BGB). Im entschiedenen Fall hatte sich ein U-Bahn-Fahrer außerhalb der Dienstzeit eine Trunkenheitsfahrt mit seinem Privat-Pkw zuschulden kommen lassen. Der Arbeitgeber war daraufhin der Auffassung gewesen, dieser einmalige Vorgang lasse die Eignung des Arbeitnehmers für seine Tätigkeit als U-Bahn-Fahrer entfallen. Das BAG war der Ansicht, der U-Bahn-Fahrer habe zunächst abgemahnt werden müssen.
Rz. 127
Tatsächlich dürfte die rechtliche Problematik in diesem Fall auf einer anderen Ebene liegen. Zu prüfen wäre gewesen, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund außerdienstlichen Verhaltens hätte gekündigt werden können. Zu beachten ist ferner das systematische Argument, dass zunächst entschieden werden muss, ob ein Kündigungsgrund verhaltens- oder personenbezogen ist. Nur bei einer verhaltensbedingten Kündigung kommt eine Abmahnung in Betracht. Infolgedessen kann die Abmahnung selbst nicht als Abgrenzungskriterium zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung herangezogen werden (APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 132).
Rz. 128
Hinweis
Wegen der Rspr. des BAG ist jedoch in Fällen, in denen aufgrund außerdienstlichen Verhaltens Zweifel an der Eignung eines Arbeitnehmers für seine Aufgaben bestehen, zu prüfen, ob im Einzelfall bereits eine Kündigung ausgesprochen werden kann oder ob zunächst eine Abmahnung zu erteilen ist.